Die Herrschaft über die Krise der Golfstaaten liege in den Händen des 33-jährigen Kronprinzen von Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman, und des 39-jährigen Emirs von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, sagt Michael Stephens. Er arbeitet beim britischen Institut für Sicherheitsstudien und sieht darin keine guten Voraussetzungen für Kompromisse. Es sei etwas zu viel Ego und Stolz im Spiel.
Die ambitiösen jungen Scheichs mobilisieren alle Ressourcen in ihrem Konflikt. Und die Ressourcen am Golf sind gewaltig. Der Druck, sich zu arrangieren, scheint schon deshalb zu fehlen.
Zusammenbruch des Finanzsystems abgewendet
«Als die Nachbarn im Juni 2017 plötzlich Land, Luft und Seeverbindungen kappten, war das anfangs ein schwerer Schlag für die Wirtschaft Katars», sagt Stephens. Doch der Emir in Doha setzte fast vierzig Milliarden Dollar ein. Er lenkte gewaltige Summen aus seinem Staatsfonds zurück ins eigene Finanzsystem, um dessen Kollaps abzuwenden.
Zweitens schaffte Katar es, Notkanäle für die Versorgung zu finden, bis sich die Preise wieder stabilisierten. Nahrungsmittel und andere Importgüter kamen von nun an über die Türkei und Südasien, vor allem aber Iran. Auch für den Export fand Katar Hilfe bei diesem grossen Rivalen. Katar ist der Weltführer im Export von Flüssigerdgas. Das kleine Scheichtum braucht dafür zwingend offene Seewege. Iran bietet sie.
Die Saudis und die Emirate, die Initiatoren des Embargos, trieben Katar förmlich in die Arme der islamischen Republik Iran, glaubt Katarexperte Stephens. Schon das zeige, wie unüberlegt die Strafmassnahme gewesen sei.
Kronprinz fordert Unmögliches von Katar
Raum für Kompromisse liess der Kronprinz dem Emir nicht. Er formulierte Maximalforderungen: Katar müsse künftig die Aussenpolitik der Saudis und der Emirate übernehmen. Eine derartige Kapitulation wies man in Doha zurück.
Vorher dem Vorwurf ausgesetzt, Terroristen zu unterstützen, steht Katar nun mindestens so sehr als Opfer einer völlig überzogenen Strafaktion da. Das stärke das Nationalgefühl in diesem jungen Staat ungemein, sagt Stephens. So hat die Führung von Qatar aus dem Konflikt innenpolitisch sogar noch Nutzen gezogen.
Neuer Nationalismus auch in Abu Dhabi
Elizabeth Dickinson verfolgt den Konflikt von der anderen Seite aus. Die Golfanalytikerin der International Crisis Group lebt in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Auch dort sei ein neuer Nationalismus auszumachen. Man könnte den Bruderzwist als Gesellenstück von draufgängerischen Ölscheichs hinnehmen.
Das Problem ist, dass sich die Spannungen nicht auf die Golfstaaten beschränken. Beide Seiten sind tief in die Konflikte der Region verstrickt, von Libyen über Sudan und Ägypten bis Somalia.
Die Saudis und die Emiratis setzen in der Regel auf Generäle und autoritäre Regime, die Kataris unterstützen Basisbewegungen, auch islamistische, insbesondere die Muslimbrüder. Beide suchen sich lokale Verbündete, auch sehr zweifelhafte. Im Syrienkrieg unterhielten die Kataris Kommunikationskanäle bis zu Al Kaida.
Bringt die WM eine Entspannung?
In drei Jahren will Katar die Endrunde der Fussballweltmeisterschaft austragen. Dass dies eine Entspannung bringt, ist bis jetzt nur eine vage Hoffnung.
Am Gipfel der arabischen Staaten in Mekka gab es letzte Woche zwar einen Handschlag zwischen Vertretern beider Seiten. Aber kaum war der Gipfel zu Ende, begannen die Beschimpfungen schon wieder.