Die Ausgangslage: Die Kaukasus-Staaten Armenien und Aserbaidschan kommen in ihrem jahrzehntelangen Konflikt einem Frieden offenbar näher. Beide Länder haben am Donnerstag ein gemeinsames Friedensabkommen bestätigt. Der Zeitpunkt für eine Unterzeichnung ist allerdings unklar und auch zum Inhalt des Abkommens mit allfälligen territorialen Vereinbarungen ist bisher nichts bekannt. Die beiden Ex-Sowjetrepubliken stritten sich insbesondere um die Region Berg-Karabach, welche Aserbaidschan vor rund anderthalb Jahren unter seine militärische Kontrolle brachte. Mehr als 100'000 Menschen flohen nach Armenien.
Die Chancen: Noch sei schwer abschätzbar, ob das Abkommen dereinst einen nachhaltigen Frieden in der Region bringen könne, sagt SRF-Korrespondent Calum MacKenzie. Auf der einen Seite könne als Durchbruch gewertet werden, dass Aserbaidschan nun einem Vorschlag Armeniens zustimme. Armenien habe offensichtlich Zugeständnisse gemacht, welche Aserbaidschan zu akzeptieren bereit sei.
Die offenen Fragen: Zugleich sind laut MacKenzie ein paar der schwierigsten Streitpunkte ganz ausgeklammert worden. So die Debatte um den von Aserbaidschan angestrebten Sangesur-Korridor durch die armenische Region Sjunik, der die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan mit dem Kernland Aserbaidschan verbinden soll. Darüber soll separat verhandelt werden. Vor dem Hintergrund, dass Aserbaidschan diesen Korridor mit sehr aggressiver Rhetorik gefordert hat, klinge das Abkommen zwar vielversprechend, doch künftige Probleme seien programmiert.
Die Region Berg-Karabach: Ganz allgemein wird es im Abkommen darum gehen, den Konflikt um Berg-Karabach beenden. Völkerrechtlich gehört diese Region zu Aserbaidschan, wurde aber bis im Herbst 2023 von ethnischen Armenierinnen und Armeniern bewohnt und kontrolliert. Dann eroberte Aserbaidschan die Region zurück und vertrieb die Bevölkerung. Entsprechend gehe es darum, dass Armenien diese Entwicklung offiziell akzeptiere, sagt MacKenzie. Offenbar habe man sich darauf geeinigt, dass es in Armenien keine EU-Beobachter entlang der Grenze mehr geben werde. Ebenso, dass beide Seiten – vor allem Armenien – ihre Klagen vor internationalen Gerichtshöfen zurückziehen. Es geht hier vor allem um mutmassliche Kriegsverbrechen auf beiden Seiten.
Das Diktat des Stärkeren: Kommt das Abkommen zustande, geht das starke Aserbaidschan als Gewinner hervor, wie MacKenzie erklärt. Aserbaidschan ist nicht nur flächen- und bevölkerungsmässig grösser als Armenien, sondern kann sich dank Öl- und Gasexporten mit hochmodernen Waffen aufrüsten und hat in den letzten Jahren auch massiv investiert. Bei den letzten Konflikten mit Armenien war das armenische Militär chancenlos. Nicht zuletzt geniesst Aserbaidschan die Unterstützung der Türkei und in geringerem Masse von Russland, während Armenien keine fixen Partner in der Region hat.