Den Anfang machte Finnland, sagt dessen Botschafter in Washington, Mikko Hautala. Entscheidend war die Forderung von Russlands Präsident Wladimir Putin schon im vergangenen Dezember, es dürfe niemals mehr eine Nato-Erweiterung geben. «In Helsinki war damit klar: Setzt sich Putin durch, würde Finnland zu einem zweitklassigen Land. Es wäre nicht mehr souverän in seinen Entscheidungen», sagt Hautala.
Binnen Wochen stieg in der Bevölkerung die Zustimmung zu einem Nato-Beitritt von bloss gut zwanzig auf gegen achtzig Prozent. Auch Schweden schloss sich sehr rasch an, so dessen Botschafterin in den USA, Karin Olofsdotter.
Der nordische Positionswechsel sei einsichtig, sagt Kurt Volker, früher Nato-Botschafter und später Ukraine-Sonderbeauftragter der USA: «Russland hat Georgien angegriffen, zweimal die Ukraine, es hält einen Teil Moldawiens besetzt. Das zeigt: bedroht sind Nato-Nicht-Mitglieder. Wer dem Bündnis angehört, blieb bisher unbehelligt. Wenn Moskau nun Überraschung mimt und von einer finnischen und schwedischen Provokation spricht, dann ist das Geschichtsklitterung.» Russland habe sich vom Westen abgewandt, nicht umgekehrt.
Russland bedroht Nato-Nicht-Mitglieder. Wer dem Bündnis angehört, blieb bisher unbehelligt.
Für die Finnen und die Schweden sei ein Beitritt zur Nato «kein grosser Sprung, bloss ein weiterer Schritt», sagt der finnische Botschafter Hautala: «Wir bewegen uns seit Jahren auf die Nato zu.» Und Karin Olofsdotter: «Beide Länder fordern von der Nato nicht nur Sicherheit ein, sondern tragen selber bei zu mehr Sicherheit für ganz Europa.» Ein Blick auf die Landkarte zeige: «Schweden und Finnland sind zwei grosse Puzzle-Stücke, die der Nato bisher fehlten.»
In beiden nordischen Hauptstädten rechnet man mit einem raschen Beitritt. Die USA, bei denen sich Ratifizierungen im Kongress oft lange hinzögen, dürften diesmal zu den ersten gehören, die zustimmen, ist Kurt Volker überzeugt.
Nordische Gelassenheit
Und niemand will ernsthaft glauben, dass am Ende das Nato-Mitglied Türkei den Allianzbeitritt blockiert. «Wir haben bis vor kurzem auch aus Ankara sehr positive Signale vernommen», sagen Hautala und Olofsdotter unisono. Jetzt sei man etwas überrascht, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan querschiesse – mit Argumenten, die mit der Nato nichts zu tun hätten. Doch der Widerstand lasse sich beseitigen.
Ebenso sicher gibt man sich, dass Russland sich, trotz verbalem Getöse, letztlich zurückhält. «Moskau hat seit längerem mit einem Nato-Beitritt von Schweden und Finnland rechnen müssen. Die neue Sachlage ist für Russland zwar ärgerlich, jedoch nicht existenziell bedrohlich. Dies hat die Kreml-Führung selber gesagt», so Hautala. Zumal keine Stationierung grosser Nato-Truppenkontingente in den beiden künftigen Neumitgliedern geplant sei.
Die nordische Gelassenheit ist bemerkenswert angesichts eines Bündnisbeitritts, der anderswo als verblüffende historische Trendwende interpretiert wird.