Intrigen, Machtkämpfe und übergrosse Egos: Was im Mai in der Sixtinischen Kapelle passieren wird, lässt die Schöpfer von Reality-TV-Formaten vor Neid erblassen. Dann reisen nämlich Kardinale aus aller Welt zum Konklave an, um «Gottes Stellvertreter auf Erden» zu wählen.
Pomp, jahrhundertealte Rituale, tiefsitzende Rivalitäten – und das alles eingebettet in die spektakuläre Kulisse des Vatikans. «Das Konklave kann man als grösste Show der Welt bezeichnen», sagt Judith Wipfler, Religionsredaktorin von SRF.
Die Einsätze könnten höher nicht sein. Bis am Ende weisser Rauch aufsteigt, verdichten sich die schwelenden Machtkämpfe zu einem Wahlkrimi. «Konklave» hat das Schauspiel, das sich seit bald 900 Jahren im Vatikan abspielt, in ein oscarprämiertes Drama gegossen.
Die Zutaten für einen Politthriller sind auch diesmal da, wenn man Marco Politi glaubt. Laut dem bekannten Vatikanisten hat es in den letzten Jahren «praktisch einen Bürgerkrieg in Rom gegeben». Angeführt von ultrakonservativen Kirchenmännern, die gegen Papst Franziskus opponierten – und ihn gar als liberalen Ketzer auf dem Heiligen Stuhl beschimpften.
Hier die erzkonservativen Kirchenmänner, die die Gläubigen vor den vermeintlichen Irrwegen der Moderne bewahren wollen. Dort die Reformer, die die Kirche anschlussfähig für die Welt da draussen machen wollen. Buchstäblich zwischen den Stühlen sitzen die eingemitteten Kardinale. «Das Taktieren, wer zu welcher Fraktion halten könnte, hat längst begonnen», sagt Wipfler. Denn eine Papstwahl sei auch Kirchenpolitik.
Für Wipfler lebt die «Faszination Konklave» noch immer. Genauso wie für zahllose Gläubige und Abermillionen Menschen auf der ganzen Welt, die nicht der römisch-katholischen Kirche angehören.
«Habemus Papam»:Die Wahl von Papst Franziskus am 13. März 2013
Das sei auch dem «Celebrity-Effekt» geschuldet, sagt Wipfler. Schliesslich sei der Papst die vielleicht berühmteste Person der Welt – und Oberhaupt einer Kirche, die knapp 1.4 Milliarden Mitglieder hat. «Dazu kommen die vielen Geheimnisse, Mythen und Legenden rund um die Papstwahl. Es hat auch etwas Unheimliches, Verborgenes, was dort passiert – und es hat viel, viel Geschichte.»
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Bild 1 von 5. Eine starke Fraktion bilden traditionell die italienischen Kardinäle – schliesslich wird mit dem Papst auch der Bischof von Rom gewählt. Doch auch der globale Süden erhebt Ansprüche, einen Papst zu stellen. Bildquelle: Getty Images/Franco Origlia.
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Bild 2 von 5. Im 13. Jahrhundert dauerte es einmal geschlagene zwei Jahre und neun Monate, bis ein neuer Papst gewählt wurde. Fortan wurden die Kardinale nach Rom zitiert, um in geschlossener Gesellschaft zu wählen. Bild: Darstellung einer Konklave aus dem Jahr 1819. Bildquelle: Getty Images/Bridgeman.
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Bild 3 von 5. Was in der «Sixtina» passiert, bleibt in der «Sixtina»: Die Kardinäle müssen einen Eid ablegen, dass sie nichts darüber verlauten lassen, was im Konklave vorgefallen ist. Bild: Die Pforten zur Sixtinischen Kapelle werden 1939 anlässlich des Konklave geschlossen. Bildquelle: Getty Images/Gamma-Keystone.
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Bild 4 von 5. Das Konklave beginnt 15-20 Tage nach dem Tod eines Papstes. Voraussichtlich startet sie zwischen 5. und dem 10. Mai. Papst werden kann theoretisch jeder getaufte Mann. Seit dem 14. Jahrhundert wurden aber ausschliesslich Kardinäle zum Papst geweiht. Bildquelle: Keystone/AP/Osservatore Romano.
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Bild 5 von 5. Die Wahlzettel werden verbrannt und der Rauch kommt aus einem Schornstein der Sixtinischen Kapelle: Schwarzer Rauch bedeutet, dass noch kein Papst gewählt wurde. Weisser Rauch bedeutet, dass ein Papst gewählt wurde. Bildquelle: Getty Images/Alessandra Benedetti.
Dass die Papstwahl hinter verschlossenen Türen stattfindet, trägt zu ihrer Faszination bei. Die Kardinäle werden nämlich in der Sixtinischen Kapelle «eingesperrt» – eine Tradition, die der Geheimhaltung dienen und das Wahlprozedere beschleunigen soll. Bis 1978 mussten die Geistlichen sogar noch in der «Sixtina» übernachten. Heute herrscht striktes Handyverbot – und das Gotteshaus wird streng abgeschirmt. Kein Wort soll nach aussen dringen.
«Schnell genannt ist schnell verbrannt»
Das Wahlprozedere ist streng geregelt: Am ersten Tag gibt es meist nur einen Wahlgang, am zweiten Tag gibt es vormittags und nachmittags je zwei Wahlgänge. «Wir werden also gebannt darauf starren, was sich an Rauchentwicklung abzeichnet», prognostiziert Wipfler. Bis dahin dürften die Interessenten für den vakanten Posten weiter versuchen, sich in die Pole Position zu bringen.
Diese Kardinäle könnten Papst Franziskus im Amt nachfolgen
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Bild 1 von 11. Pietro Parolin. Der 70 Jahre alte Italiener aus der Nähe von Venedig ist seit mehr als einem Jahrzehnt die Nummer zwei im Vatikan. Franziskus erhob Pietro Parolin zum Kardinalstaatssekretär. Bildquelle: Keystone / EPA, ANGELO CARCONI.
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Bild 2 von 11. Pierbattista Pizzaballa. Der Patriarch von Jerusalem leitet eine der schwierigsten Diözesen der Welt. Im Nahost-Konflikt sieht sich Pierbattista Pizzaballa als Brückenbauer. Er kommt aus der Ordensgemeinschaft der Franziskaner. Der aus dem Norden Italiens in der Nähe von Bergamo stammende 60-Jährige ist einer der jüngsten Kardinäle. Bildquelle: Keystone / EPA / ATEF SAFADI.
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Bild 3 von 11. Matteo Maria Zuppi. Als Vorsitzender der Bischofskonferenz Italiens ist der 69-jährige Matteo Maria Zuppi eine zentrale Figur im Vatikan. Der Erzbischof von Bologna ist sehr einflussreich. Als Sondergesandter des Papstes vermittelt er zwischen Russland und der Ukraine. Sein diplomatisches Geschick war jeweils gefragt, wenn sich der Papst zum Krieg äusserte. Bildquelle: Keystone / EPA, SERGEI ILNITSKY.
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Bild 4 von 11. Péter Erdö. Der Primas von Ungarn, Erzbischof von Esztergom-Budapest gilt als konservativ. Der 72-Jährige ist für seine traditionelle Haltung in vielen Kirchenfragen bekannt und pflegte eine gute Beziehung zu Papst Benedikt XVI. Franziskus' Reformbemühungen sah Erdö eher kritisch. Unter konservativen Kardinälen würde eine Abkehr vom progressiven Kurs erwartet. Bildquelle: Keystone / EPA, ATTILA KOVACS.
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Bild 5 von 11. Luis Antonio Tagle. Der frühere Erzbischof von Manila, Philippinen, lebt bereits einige Jahre in Rom. Der 67-Jährige wurde 2019 Kardinalpräfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker. Inzwischen ist er Pro-Präfekt des daraus hervorgegangenen Dikasteriums für die Evangelisierung – einer der wichtigsten Posten der Kurie. Bildquelle: imago images / ABACAPRESS.
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Bild 6 von 11. Fridolin Ambongo Besungu. Sollte es je einen schwarzen Papst geben, fällt häufig der Name Fridolin Ambongo Besungu, Erzbischof von Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo. Der 65-Jährige gilt als konservativ und gehört zu den wichtigsten Kirchenvertretern Afrikas. Die Öffnung für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare sieht er sehr kritisch. Bildquelle: REUTERS / Luc Gnago .
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Bild 7 von 11. Jean-Marc Aveline. Der Erzbischof von Marseille stammt aus Algerien und wuchs in den Vororten der Hafenstadt auf. Heute ist er dort Erzbischof. Jean-Marc Aveline gilt als volksnah und hat laut Fachleuten in Auftreten und Politik viel mit dem verstorbenen Papst gemeinsam. Manche nennen ihn gar einen «Super-Bergoglianer», nach Bergoglio, wie der Papst bürgerlich hiess. Bildquelle: IMAGO / SOPA Images.
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Bild 8 von 11. Jean-Claude Hollerich. Der Erzbischof von Luxemburg ist einer der einflussreichsten Männer im Vatikan. Der Jesuit sitzt in mehreren wichtigen Dekasterien. Zudem leitet der 66-Jährige die Kommission der Bischofskonferenzen aller EU-Staaten. Bei der Weltsynode war Hollerich «Generalrelator», also Vermittler bei Meinungsverschiedenheiten und damit in einer zentralen Rolle. Bildquelle: REUTERS / Stephanie Lecocq.
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Bild 9 von 11. Angelo De Donatis. Angelo Kardinal De Donatis stammt aus der italienischen Provinz Lecce. Seit 2024 ist er Kardinalgrosspönitentiar. Die Apostolische Pönitentiarie zählt zu den drei obersten Gerichtshöfen der katholischen Kirche. Sie ist aber kein Kirchengericht, sondern eine Einrichtung für das Gnaden- und Ablasswesen. Bildquelle: Keystone / EPA, FABIO FRUSTACI.
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Bild 10 von 11. Mario Grech. Seit 2020 ist Mario Grech Generalsekretär der Bischofssynode und hat damit eine Schlüsselposition inne. Er war Bischof von Gozo, der Nebeninsel von Malta, wo er aufgewachsen ist. Grech hat sich vom Konservativen zum Freund von Reformen gewandelt und wird als treuer Unterstützer der Reformen von Papst Franziskus gesehen. Bildquelle: IMAGO / ZUMA Press.
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Bild 11 von 11. Víctor Manuel Fernández. Der aus Argentinien stammende Kurienkardinal Víctor Manuel Fernández ist seit 2023 Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre. Zudem ist er Präsident der Päpstlichen Bibelkommission und der Internationalen Theologischen Kommission. Zuvor war er von 2018 bis 2023 Erzbischof von La Plata. Bildquelle: Keystone / AP / Natacha Pisarenko.
Bereits kursieren die Namen der Kronfavoriten. Wipfler weiss aber aus Erfahrung: «Schnell genannt ist schnell verbrannt – meistens gibt es noch eine Überraschung.» Spannung ist also garantiert. Auch wenn die «grösste Show der Welt» dramaturgisch noch Ausbaupotenzial hat: Bis weisser Rauch aufsteigt, kann es 2-3 Tage dauern – und das bei mehr als dürftiger Informationslage.