Darum geht es: Der iranische Polizeichef hat verkündet, dass die gefürchtete Sittenpolizei wieder auf die Strassen zurückkehren soll, um die Kopftuchpflicht zu kontrollieren. Das berichten iranische Medien. Demnach sollen Frauen, die ohne Hijab auf die Strasse gehen, angezeigt und bestraft werden. Derzeit seien allerdings noch keine der berüchtigten kleinen weissen Busse der Sittenpolizei in Teheran zu sehen, sagt ARD-Korrespondentin Karin Senz in der iranischen Hauptstadt. «Wir haben noch keine Quellen, die bestätigen, dass die Sittenpolizei wieder aktiv ist.»
Die Reaktionen: «Viele Frauen in Iran lassen ihr Kopftuch seit Wochen oder gar Monaten zu Hause», sagt die Korrespondentin. Andere Frauen trügen das bei vielen unbeliebte Kleidungsstück zwar noch um den Hals, um es rasch um den Kopf platzieren zu können, falls die Sittenpolizei plötzlich auftauche. «Sehr viele Iraner und Iranerinnen finden aber, dass das Leben ohne Kopftuch – oder dass auch Frauen T-Shirts tragen dürfen – eigentlich nicht mehr rückgängig zu machen ist.» Die Frauen hätten sich dieses Recht in den letzten Monaten erkämpft, so die Haltung vieler in Iran.
Die Absichten der Mullahs: «Möglicherweise versucht das Regime, der Entwicklung der letzten Monate einen Riegel vorzuschieben», vermutet Senz. Denn zwar würden Frauen nach wie vor mit Bussen bestraft oder ihr Auto von den Behörden eingezogen, wenn sie das Kopftuch in der Öffentlichkeit nicht tragen – aber meist nicht mehr verhaftet. Sie selber habe immer wieder Situationen erlebt, in denen Frauen ohne Kopftuch auf der Strasse auf die Solidarität anderer Frauen zählen konnten, wenn sie von Dritten darauf aufmerksam gemacht wurden, das Kopftuch zu tragen. Doch seien sich die Frauen auch bewusst, dass sie sich damit quasi mit einem Bein im Gefängnis befinden. «‹Nur weil wir es tun, ist es noch lange nicht legal›, hat mir eine junge Frau kürzlich gesagt», so die ARD-Korrespondentin.
Man darf nicht vergessen, dass unter der unbeschwerten Oberfläche eine sehr tief sitzende Anspannung herrscht.
Grosse Entschlossenheit: Zwar sind die grossen, medienwirksamen Proteste in den letzten Monaten aus den Strassen der iranischen Städte verschwunden. Doch habe der Protest eine andere Form angenommen, sagt Senz. «Was die jungen Menschen bisher hinter verschlossenen Türen taten – Musik hören, tanzen, Alkohol trinken, kurze Kleidung tragen, sich amüsieren –, tun sie jetzt auf den Strassen.» Es scheine, dass die jungen Menschen den Sommer zum ersten Mal in ihrem Leben im Haar spüren und auskosten wollten. «Dabei darf man nicht vergessen, dass unter dieser Unbeschwertheit an der Oberfläche, vor allem bei den Frauen, eine sehr tief sitzende Anspannung herrscht.»