Im Ausland sagte der Name Eva Kaili den meisten Leuten bislang nichts. Aber zuhause in Griechenland und in der Europa-Szene ist die Vizepräsidentin des Europaparlaments durchaus bekannt. Die heute 44-Jährige war eine der Jüngsten, die je ins griechische Parlament gewählt wurden. Der «Spiegel» lobte sie bereits 2011 als «Die Weitsichtige». Die Brüssel-Kenner von «Politico» nahmen sie auf eine Liste der EU-Abgeordneten mit dem grössten Einfluss.
Seit Freitagabend kennen ihren Namen nun aber auch Leute, die nicht so viel mit Griechenland und Europa zu tun haben. Die belgische Justiz liess Eva Kaili unter dem Verdacht festnehmen, dass sie sich von einem Golfstaat bestechen liess. Nach dpa-Informationen handelt es sich um Katar. Obwohl selbstverständlich auch für die Europa-Abgeordnete die Unschuldsvermutung gilt, ist die Empörung gross.
Am Samstag dann die Nachricht: Kaili wird als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments abgesetzt. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entzog ihr «mit sofortiger Wirkung alle Befugnisse, Pflichten und Aufgaben» als ihre Stellvertreterin, wie eine Sprecherin Metsolas mitteilte.
Steiler Aufstieg
Mit 26 Jahren wurde die studierte Architektin in den Stadtrat ihrer Geburtsstadt Thessaloniki gewählt. Zuvor hatte sie als Moderatorin beim Privatsender «Mega TV» reüssiert. Schnell wurde man bei der sozialistischen Partei Pasok auf sie aufmerksam. 2007 wurde sie erstmals für Pasok ins Nationalparlament von Athen gewählt. Nebenbei schloss sie ein Master-Studium in Internationalen und Europäischen Beziehungen ab.
Die Zeit in der Nationalversammlung war 2012 vorbei. Ausgebremst wurde sie von Pasok-Chef Evangelos Venizelos, der aus demselben Wahlkreis kam und selbst kandidierte. Daraufhin orientierte sich Kaili neu. 2014 wurde sie ins EU-Parlament gewählt. Dort machte sie sich in Wissenschaftsfragen einen Namen. Sie engagierte sich auch bei den Themen Migration und Kinderschutz.
Bizarres Lob
Privat ist Kaili Medienberichten zufolge mit einem italienischen Politik-Berater liiert, der am Freitag ebenfalls festgenommen wurde. Viel beachtet wird nun eine Rede, die sie nach einem Besuch in Katar am 21. November im Parlament hielt. Darin lobte die Vizepräsidentin den Golfstaat als Vorreiter bei Arbeitsrechten. Das Land habe sich der Welt geöffnet. «Dennoch rufen einige hier dazu auf, sie (die Katarer) zu diskriminieren. Sie schikanieren sie und beschuldigen jeden, der mit ihnen spricht, der Korruption.»
Die deutsche Parlamentsvize Nicola Beer sagte, Kaili habe das Vertrauen ins Europaparlament erschüttert. Die Häme angesichts der Ermittlungen, die von der Zeitung «Le Soir» und dem Magazin «Knack» aufgedeckt worden waren, liess nicht lange auf sich warten.
Ungarns Regierungssprecher Zoltan Kovacs schrieb auf Twitter, er freue sich auf die Tweets von Europaabgeordneten, die sich deutlich gegen Korruption positionierten. «Aber zu der grossen Korruptionsuntersuchung, in die Europaabgeordnete verwickelt sind (...), hatten sie nichts zu sagen.»
Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament suspendierte Kailis Mitgliedschaft. Ihre griechische Partei Pasok schloss sie aus. Ob sich die Vorwürfe erhärten, dürfte sich bald zeigen.