Der Korruptionsskandal um die Vizepräsidentin des EU-Parlaments wirft hohe Wellen. Eva Kaili soll 600'000 Euro Bargeld angenommen haben, um Katar in gutem Licht darzustellen. Die Affäre werfe einen dunklen Schatten auf die EU-Institutionen, sagt Moritz Körner, EU-Parlamentarier der deutschen FDP. Es seien Reformen nötig.
SRF News: Kann man EU-Parlamentarierinnen und -parlamentarier einfach so kaufen?
Moritz Körner: Das wäre sicher die falsche Lehre aus dem Skandal – auch wenn das Vertrauen in das Europäische Parlament natürlich massiv beschädigt wird. Eva Kaili hat sich mutmasslich bestechen lassen, das dürfen wir keinesfalls akzeptieren.
Im November hatte Kaili Katar im EU-Parlament als Vorreiter der Arbeiterrechte gelobt. Was haben Sie damals gedacht?
Ich habe mich damals schon gewundert. Und vor allem habe ich mich gewundert, dass Kaili im Visa-Ausschuss zu Katar ebenfalls abgestimmt hat – obschon sie dort gar nicht Mitglied ist.
Sie hat im Ausschuss abgestimmt, obschon sie dort gar nicht Mitglied ist.
Das muss jetzt geklärt werden – auch wenn es vorkommen kann, dass auch Nichtmitglieder abstimmen, etwa, wenn sie ein verhindertes Ausschussmitglied vertreten. Die sozialdemokratische Fraktion ihrerseits muss ausserdem klären, wieso damals statt der ordentlichen Ausschussmitglieder die Katar-Freunde abgestimmt haben.
Inwiefern hat sich die Diskussion um die Visafreiheit für Katar jetzt geändert?
Das Thema wäre diese Woche im Parlament traktandiert gewesen. Doch das wird jetzt wohl entweder von der Tagesordnung gestrichen oder aber sicher abgelehnt. Es kann jetzt keine Visa-Erleichterungen für Katar geben, das ist völlig klar. Wenn man mit illegalen Mitteln versucht, unsere Demokratie zu beeinflussen, muss das Konsequenzen haben.
Inwieweit ist die Glaubwürdigkeit des EU-Parlaments durch den Skandal beschädigt?
Das schamlose Fehlverhalten unserer Kollegin führt dazu, dass die Glaubwürdigkeit aller EU-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier infrage gestellt wird – das ärgert mich masslos. Dieser Eindruck darf so nicht stehen bleiben, es braucht deshalb eine knallharte Aufklärung.
Der Fall Kaili zeigt, dass es freie Presse und Justiz braucht, um Korruption einzudämmen.
In Ungarn hat sich Viktor Orban am Wochenende die Hände gerieben und mit Hohn aufs EU-Parlament gedeutet. Es ist dabei festzuhalten: In Ungarn gibt es keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bei Korruption und auch keine freie Medienberichterstattung darüber. Der Fall Kaili zeigt eben auch, dass man freie Presse und Justiz braucht, um Korruption einzudämmen.
Müssen die Lobbyregeln im EU-Parlament jetzt angepasst werden?
Wir haben zwar sehr strenge Regeln und beispielsweise ein Transparenzregister aller tätigen Lobbyorganisationen. Allerdings müssen die Regeln wohl insofern angepasst werden, als dass auch Drittstaaten in das Register aufgenommen werden müssen, wenn sie versuchen, Einfluss auf EU-Parlamentarier zu nehmen.
Wer 600'000 Euro in bar von Katar annimmt, wird das nicht in ein Transparenzregister eintragen.
Dies nicht zuletzt im Hinblick auf die Auseinandersetzung zwischen autokratischen Staaten und europäischen Demokratien. Allerdings wird jemand, der 600'000 Euro in bar von Katar annimmt, das nicht in ein Transparenzregister eintragen. Da muss das Strafrecht zum Zug kommen.
Welche Folgen könnte der Korruptionsskandal längerfristig haben?
Gerade gegenüber Ungarn haben wir uns immer für den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus zur Bekämpfung von Korruption und für eine unabhängige Justiz starkgemacht – darum ist unsere Glaubwürdigkeit jetzt beschädigt. Das ändert aber nichts daran, dass wir weiter gegen Korruption in Europa kämpfen werden.
Das Gespräch führte Ramona Kayser.