In der Nacht auf Sonntag ist ein schwer bewaffnetes, serbisches Kampfkommando in den serbisch bewohnten Norden Kosovos eingedrungen. Die Angreifer töteten im Gefecht einen kosovarischen Polizisten und verletzten zwei weitere. Die neuste Eskalation beschäftigt auch die rund 250'000 Kosovarinnen und Kosovaren in der Schweiz. Wie gehen sie mit dieser Situation um? Zef Noka, Co-Leiter am albanischen Institut in St. Gallen, ordnet ein.
SRF News: Die kosovarische Gemeinschaft hat normalerweise engen Kontakt zu den Angehörigen in der Heimat. Was erzählen sie Ihnen?
Zef Noka: Die Menschen sind sehr besorgt, auch wegen der Erlebnisse in der Vergangenheit, die bis heute noch präsent sind. Auf der anderen Seite ist man dankbar, dass die internationale Gemeinschaft mit Kfor-Truppen in der Region präsent ist.
Was macht die Situation in Kosovo mit den Kosovarinnen und Kosovaren in der Schweiz?
Die kosovarische Diaspora ist stark mit der Heimat verbunden. Jetzt macht sie sich Sorgen, wohin das führen könnte. Schon vor den Sommerferien eskalierte die Lage im Norden Kosovos – und viele Kosovarinnen und Kosovaren aus der Schweiz wussten nicht, ob sie mit dem Auto in die Heimat reisen sollen oder nicht. Es geht eigentlich um die generelle Sicherheit.
Jede Krise oder Eskalation ruft unangenehme Gefühle hervor.
Auf der anderen Seite haben viele auch Kontakte mit Serben, die in der Schweiz leben und arbeiten. Sie stehen in verschiedenen Lebensbereichen miteinander in Kontakt: Sei es durch das gemeinsame Wohnen in bestimmten Wohnvierteln, durch berufliche Kontakte, wirtschaftliche Beziehungen oder durch die Kinder in der Schule und in Sportvereinen. Mit anderen Worten: Jede Krise oder Eskalation ruft unangenehme Gefühle hervor.
Setzen sich die Leute aktiv damit auseinander oder verdrängen sie eher das aktuelle Geschehen?
Grundsätzlich sprechen diese Leute darüber, wenn sie miteinander zu tun haben und Freunde sind. Wenn die Beziehungen nicht freundschaftlich sind, versucht man solche Gespräche zu vermeiden.
Gehen die Kosovarinnen und Kosovaren also mittels Konversation gemeinsam durch diese Situation? Oder haben sie andere Methoden, um mit diesem Konflikt umzugehen?
Viele wissen, dass sie von hier aus ja eigentlich nicht viel machen können. Sie hoffen auf eine politische Lösung und Frieden und gehen normal ihrem Alltagsleben nach.
Man versucht, Konflikte zu vermeiden oder sie zu umgehen.
Viele haben Verwandte, die in Kosovo leben. Haben die Menschen, mit denen Sie gesprochen haben, Angst um Ihre Familie vor Ort?
Ja. Am meisten Angst spüren Menschen und Familien, die in und um Mitrovica leben; dort, wo eigentlich die Ereignisse stattgefunden haben. Im Rest Kosovos ist man gelassener aufgrund der Präsenz der Kfor-Truppen.
In der Schweiz leben Kosovaren, Serbinnen und Albaner auf engstem Raum mehrheitlich harmonisch miteinander. Inwiefern könnte der Konflikt in Kosovo Folgen für diese Harmonie haben?
Man versucht, Konflikte zu vermeiden oder sie zu umgehen, indem man nicht über die Politik spricht. Oder aber man geht mit Vorsicht vor, während einige sogar versuchen, die Krise vollständig zu ignorieren. Es gibt gemischte Ehen oder Arbeitskolleginnen und -kollegen, die miteinander reden und arbeiten. Und sie gehen dem Thema aus dem Weg.
Also gibt es keine Auseinandersetzungen?
Nach meinen Informationen nicht. Und ich glaube auch nicht, dass es zu irgendeiner Auseinandersetzung kommt. Ich schliesse aber nichts aus.
Das Gespräch führte Nicoletta Gueorguiev.