Tausende von Plünderern rennen durch die Strassen von Port Moresby, einige mit Fernsehern unter dem Arm, andere mit behelfsmässigen Waffen ausgerüstet. «Alle Läden sind leer», sagt ein Mann in die Kamera des australischen Fernsehens.
«Anarchie im Pazifik», melden Journalistinnen und Journalisten. Begonnen hatte alles am Mittwoch als Folge eines Computerproblems, wie die Regierung von Papua-Neuguinea behauptet. Polizeibeamte hatten – offenbar aus Versehen – nur die Hälfte ihres ohnehin mageren Lohns ausbezahlt bekommen. Sie marschierten in Richtung Regierungsgebäude, um zu protestieren.
Premierminister spricht Machtwort
Die Demonstration entwickelte sich rasch zum Volksauflauf. Tausende vorwiegend junge Männer stürmten Geschäftshäuser, plünderten Läden. 16 Menschen starben.
Premierminister James Marape sprach am Donnerstag ein Machtwort: Mangelnde Disziplin in der Polizei werde nicht toleriert. Polizisten könnten «ihren Moment in der Sonne» haben, so der Regierungschef. Aber der werde nicht lange dauern. Marape verhängte den Ausnahmezustand und rief das Militär auf, für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Mannigfaltige Probleme
Inzwischen scheint sich die Lage etwas beruhigt zu haben. Vereinzelt schwelen noch Feuer, Ladenbesitzerinnen und -besitzer wagen sich ängstlich zurück, inspizieren die Trümmer ihrer Existenz und beginnen mit dem Aufräumen. Doch niemand glaubt, dass damit die Probleme aus dem Weg geräumt werden können, unter denen Papua-Neuguinea seit Jahrzehnten leidet.
Das bergige und in Teilen kaum zugängliche Land zu regieren, ist alles andere als einfach. Über 1000 verschiedene Volksgruppen und Sprachen machen die erst seit 1975 von früheren Kolonialmächten unabhängige Nation zu einer der ethnisch komplexesten der Welt.
Gleichzeitig erschweren explodierende Lebenshaltungskosten, politische Instabilität und hohe Arbeitslosigkeit den Alltag. Die Gesundheitsversorgung für die meisten der rund zehn Millionen Bewohnerinnen und Bewohner ist ungenügend.
HIV-Infektionen, Tuberkulose und andere, eigentlich vermeidbare Krankheiten grassieren. Analphabetismus ist mehr Norm als Ausnahme. Korruption und Vetternwirtschaft sind weit verbreitet. Obwohl reich an Mineralien und anderen Rohstoffen, leben viele Menschen in Armut.
Trübe Aussichten
Nirgendwo zeigen sich die Folgen so stark wie in Port Moresby, wo täglich Hunderte junger Männer aus den entferntesten Gegenden des Landes eintreffen, auf einer meist aussichtslosen Suche nach Arbeit.
Fast alle enden auf der Strasse. Denn es fehlt an Wohnraum – eine soziale Zeitbombe. Die Kriminalitätsrate ist enorm hoch. Port Moresby gilt als eine der gefährlichsten Städte der Welt.
Ob und wie lange Port Moresby zur Ruhe kommen wird, will und kann niemand sagen. Premierminister Marape hat ein paar seiner Minister entlassen, und den Polizeichef.
Die Opposition fordert den Rücktritt Marapes. Ob ein solcher aber eine fundamentale Verbesserung der Situation bringen würde, ist zweifelhaft. Denn für viele seiner jungen Bewohnerinnen und Bewohner ist Papua-Neuguinea ein Land ohne Hoffnung.