Der Hauptzweck der Königsfamilie sei, dass man sie anschauen und bewundern könne, schrieb einst die britische Schriftstellerin Hillary Mantel. Die Monarchie ist ein visuelles Handwerk. Leider kann das Königshaus dieses nur noch reduziert wahrnehmen. Nach dem König ist nun auch die Prinzessin von Wales ernsthaft erkrankt.
Die jüngste Krebsdiagnose ist eine weitere traurige Nachricht aus dem Buckingham Palace für die Britinnen und Briten. Die Prinzessin ist mit Abstand das beliebteste Mitglied der königlichen Familie. Die bürgerliche Kate hat mit ihrer unkomplizierten Art, die in der britischen Öffentlichkeit sehr gut ankommt, eine erfrischende Bodenständigkeit in die Königsfamilie gebracht.
Die Nachricht ist aber ebenso ein Schlag für den Palast selbst. Rund 2000 öffentliche Auftritte absolvieren die Mitglieder der königlichen Familie pro Jahr. Der König nimmt seine institutionellen Verpflichtungen zwar weiterhin regelmässig wahr, aber eine Reduktion der royalen Auftritte wird unvermeidbar sein.
Ist die Königsfamilie angeschlagen, kränkelt das ganze Königreich
Doch die Monarchie ist mehr als eine institutionelle Angelegenheit. Sie halte die Gesellschaft wie eine Klammer zusammen und schwebe über dem politischen Allerlei, sagt der Publizist Adrian Wooldridge. «Der Glanz und die Kontinuität der Königsfamilie birgt etwas Tröstliches. Wenn wir Hochzeiten, Thronjubiläen und Krönungen feiern, stiftet die Monarchie Identität und Zusammenhalt.» Wenn der König und seine Familie gesundheitlich angeschlagen sind, kränkelt deshalb das ganze Königreich.
Ein grosser Schock sei die Diagnose, schreibt der konservative «Daily Telegraph» auf der Frontseite. Der Premierminister wünscht gute Besserung. Oppositionsführer Keir Starmer ist berührt. Und viele Britinnen und Briten danken der Prinzessin für ihren Mut, über eine Diagnose zu sprechen, von der in Grossbritannien jeden Tag über tausend Menschen betroffen sind.
In den sozialen Medien ist jeder ein potenzieller Paparazzo
In den Kommentarspalten ist aber auch eine gewisse, rückblickende Scham zu spüren. Früher wurden die Mitglieder der Königsfamilie von den britischen Boulevard-Medien drangsaliert. Im Zeitalter der sozialen Medien ist mittlerweile jeder Untertan mit einem Smartphone ein potenzieller Paparazzo. In diesem Umfeld funktioniert das royale Mantra «never explain, never complain» (nie erklären, nie beschweren) definitiv nicht mehr.
Das Schweigen des Palastes in den vergangenen Wochen über den Gesundheitszustand der Prinzessin führte zu einem Informations-Vakuum. Dieses wurde von Online-Trollen ungefiltert mit absurden Verschwörungstheorien gefüllt. Eher harmlose Zeitgenossen suchten auf Bildern der Königsfamilie nach Anomalien wie fehlende Finger oder Ohren. Andere forderten gar einen DNA-Beweis, dass die Prinzessin noch unter uns weilt.
Die goldene Regel «look, but don't touch», (anschauen, aber nicht berühren) hat ihre Gültigkeit im Zeitalter der sozialen Medien längst verloren.