Sogenannte OSINT-Quellen (Open Source Intelligence) bieten wichtige Informationen im Ukraine-Krieg. Doch wie kann man sie auf ihre Echtheit überprüfen? Frank Sauer, ein Experte der deutschen Bundeswehr, gibt Tipps, warnt aber auch vor den Gefahren durch manipulierte Bilder.
SRF News: Welchen Beitrag können OSINT-Quellen leisten?
Frank Sauer: Ich stelle fest, dass uns inzwischen eine Menge an Informationen erreicht, insbesondere an Bildinformationen über diesen Krieg, wie es in der Vergangenheit nicht der Fall war. Die kann man nutzen. Aber man muss es natürlich mit der gebotenen Vorsicht tun.
Das hat damit zu tun, dass inzwischen überall Smartphones vorhanden sind, dass es auch viele Drohnen gibt, die Bilder liefern, und dass es seit einigen Jahren kommerzielle Satellitenanbieter gibt, die sehr hochwertiges Bildmaterial zur Verfügung stellen, das man kaufen kann.
Wo sind die Gefahren Ihrer Ansicht nach?
Man muss sehr genau schauen, welchem Material man trauen kann und welchem nicht. Es gibt auch ein paar einfache Kniffe, die man als Endanwender nutzen kann, und man kann sich über die Zeit auch ein paar Quellen aufbauen, von denen man weiss, dass die in aller Regel geprüftes, qualitativ hochwertiges Material verbreiten. Ich denke da zum Beispiel an das Bellingcat-Netzwerk. Da ist es nachweislich so, dass die sich sehr bemühen, dass das alles auch stimmt, was sie posten.
Wie gross ist die Gefahr, dass wir den Informationen ukrainischer Seite mehr trauen und weniger über deren Verluste berichten?
Ganz eindeutig leben wir in einer Informationslandschaft, die primär von der Ukraine gestaltet wird. Das liegt daran, dass die ukrainischen Streitkräfte Smartphones haben und nutzen. Auf russischer Seite sind es nur sehr wenige. Die meisten Soldaten mussten zu Beginn der Invasion ihre Smartphones abgeben. Deswegen gibt es deutlich weniger Informationsmaterial aus dieser Perspektive.
Wir wissen eigentlich gar nicht genau, wie es etwa um die ukrainischen Streitkräfte steht.
Und deswegen ist es durchaus so, dass wir wenig Einblick haben. Selbst Analysten, die in der Materie sehr viel tiefer drinstecken, sagen das immer wieder – auch warnend: Wir wissen eigentlich gar nicht genau, wie es etwa um die ukrainischen Streitkräfte steht. Deswegen ist der erste Schritt, um sich ein vollständiges Bild zu machen, die Informationslandschaft zu erkennen. Sie ist ukrainisch dominiert.
Gab es Ihrer Ansicht nach schon mal Kriege vor diesem Krieg, die so gut dokumentiert wurden wie jetzt dieser Krieg in der Ukraine?
Nein, die Menge an Bildern, die wir bekommen, ist eine neue Stufe. Ich bin alt genug, mich noch an den Irakkrieg von 1990/1991 und die Briefings, die damals den Journalisten gegeben wurden, erinnern zu können. Als diese berühmten Bilder von den ersten Einsätzen gezeigt wurden, wo Bomben zielgenau auf irgendwelche Dächer gelenkt wurden, war das eine ganz andere Informationsumgebung, sie war staatlich kontrolliert. Da hatten wir nur Radio, Fernsehen, Zeitungen.
Es sind immer nur bestimmte Ausschnitte.
Aber ich möchte davor warnen, dass man meint, man habe ein genaues Bild davon, wie die Lage vor Ort wirklich ist, nur weil man sich bei Twitter einloggt, den entsprechenden Accounts folgt und im Minutentakt überflutet wird mit Bildinformationen. Dem ist nicht so, das sind immer nur bestimmte Ausschnitte. Und deswegen kann es absolut sinnvoll sein, sich auch mal zu entkoppeln, eine Bewertung von anderen, die das beruflich machen, abzuwarten und dann vielleicht in einem Qualitätsmedium nachzulesen, was das jetzt wirklich war, was wir darüber wissen, was nicht, und wie das Ganze zu bewerten ist.
Das Gespräch führte Roger Aebli.