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Uno-Generalsekretär auf Friedensmission in Moskau
Aus Echo der Zeit vom 26.04.2022. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 42 Minuten 49 Sekunden.

Krieg in der Ukraine Guterres vermittelt, Lawrow droht: Ist die Diplomatie am Ende?

UNO-Generalsekretär António Guterres ist nach Moskau gereist, um «alles zu tun, um diesen Krieg zu beenden». Doch es ist bereits Tag 62 in diesem Krieg – und man fragt sich, wieso der Chef der Vereinten Nationen erst jetzt in Moskau vorstellig wird. Derweil richtete der russische Aussenminister Sergej Lawrow eine düstere Drohung an den Westen: Waffenlieferungen an die Ukraine seien ein legitimes Angriffsziel – und es bestehe die reale Gefahr eines Dritten Weltkriegs.

Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent von SRF, erklärt, warum Guterres so lange gewartet hat. David Nauer, langjähriger SRF-Korrespondent in Moskau, sagt, was von den russischen Drohgebärden zu halten ist.

SRF News: Fredy Gsteiger, wieso kommt Guterres' Besuch so spät?

Fredy Gsteiger: Guterres gilt als sehr vorsichtiger Mensch. Er hat den russischen Angriff auf die Ukraine zwar von Anfang als völkerrechtswidrig bezeichnet und von einer Verletzung der UNO-Charta gesprochen. Er hat also deutliche Worte gewählt. Deshalb war – so hört man zumindest – der russische Präsident Wladimir Putin bislang nicht einmal bereit, mit Guterres zu telefonieren. Zudem weiss der UNO-Chef, dass seine Chancen, wirklich etwas zu erreichen, sehr bescheiden sind.

Fredy Gsteiger

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Auch ist Guterres bewusst, dass der UNO-Sicherheitsrat gelähmt ist. Denn in diesem Fall ist der Aggressor eine UNO-Vetomacht, die vieles blockieren kann. Zwar ist die UNO im humanitären Bereich und Flüchtlingswesen sehr aktiv im Ukraine-Krieg. Sie kann aber im eigentlichen Kerngeschäft – Krieg und Frieden – kaum eine Rolle spielen. Guterres' Appelle verhallen. Inzwischen ist der Druck aber intern und extern sehr gross geworden, wonach sich der UNO-Chef mehr engagieren müsse. So, wie es seine Vorgänger in diversen Kriegen getan haben.

Selenski
Legende: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski kritisierte, dass Guterres zuerst nach Moskau reist – und nicht in die Ukraine, um mit den Menschen dort zu reden und die verheerenden Schäden im Land zusehen. Guterres reist erst am Donnerstag nach Kiew. Keystone

Guterres traf sich in Moskau «nur» mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow – das ist unüblich, da sich der UNO-Generalsekretär in der Regel mit Staats- und Regierungschefs trifft. Wurde Guterres öffentlich vorgeführt?

Fredy Gsteiger: Es ist eine Art der Desavouierung. Eigentliche Gespräche und auch eine Medienkonferenz hat es nur mit Aussenminister Lawrow gegeben – Putins Lautsprecher, aber nicht dem Mann, der wirklich etwas entscheidet. Von Putin selber wird Guterres bloss empfangen. Von Moskau wird damit signalisiert, dass es eher eine Art Höflichkeitsbesuch ist – ohne, dass man in die Substanz der Dinge geht.

Was Lawrow macht, ist auch psychologische Kriegsführung: Er will den Westen einschüchtern und Angst schüren.
Autor: David Nauer Ehemaliger SRF-Korrespondent in Moskau

David Nauer, wieso lässt Russland den UNO-Generalsekretär derart auflaufen?

David Nauer: Die Russen sind offenkundig nicht an einer diplomatischen Lösung interessiert. Grundsätzlich ist es gut, wenn jede Möglichkeit für Gespräche genutzt wird. Sie nützen aber nicht viel, wenn das Gegenüber nicht reden, sondern Krieg will. Deswegen liess man Guterres auflaufen.

Wie ernst muss man Lawrows Drohungen nehmen?

David Nauer: Man sollte solche Aussagen zur Kenntnis nehmen, aber nicht überbewerten. Die Gefahr einer grossen Konfrontation zwischen Russland und dem Westen ist zwar grösser als noch vor dem Krieg. Die Welt ist gefährlicher geworden. Das heisst aber nicht, dass man jede Wortmeldung aus Moskau für bare Münze nehmen soll. Was Lawrow macht, ist auch psychologische Kriegsführung: Er will den Westen einschüchtern und Angst schüren. Aus meiner Sicht ist es weniger wichtig, was Moskau sagt. Wirklich wichtig ist, was Moskau tut. Und bisher vermeiden die Russen tunlichst, dass es zu einer direkten Konfrontation mit der Nato kommt. Daran haben sie offenbar derzeit kein Interesse – hoffen wir, dass es so bleibt.

Das Gespräche führte Dominik Rolli.

Echo der Zeit, 26.04.2022, 18 Uhr ; 

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