Mitten in einer laufenden Gegenoffensive gegen Russland ersetzt Präsident Wolodimir Selenski seinen Verteidigungsminister Olexij Resnikow mit dem jungen Oppositionsparlamentarier Rustem Umerow. Der Wechsel habe sich angebahnt und mit den Korruptionsfällen im Verteidigungsministerium nur indirekt zu tun, sagt der Journalist Denis Trubetskoy in Kiew.
SRF News: Warum wechselt Präsident Selenski gerade jetzt den Verteidigungsminister aus?
Denis Trubetskoy: Olexij Resnikow war vermutlich der beste Verteidigungsminister, den die Ukraine je hatte, doch es passte nicht immer alles 100-prozentig zusammen. Mit den Korruptionsskandalen hatte Resnikow zwar nichts direkt zu tun, stand aber in der Verantwortung für sein Ministerium. Da gab es Schwächen in der Kommunikation innerhalb des Landes. Selenski will Resnikow aber auf jeden Fall im Team behalten, auch wenn seine gestrige Ankündigung etwas kalt geklungen haben mag.
Dazu kommt, dass der frühere Staranwalt Resnikow ehemals lieber das Justizministerium übernommen hätte. Er akzeptierte dann aber kurz vor dem russischen Angriffskrieg die Leitung des Verteidigungsministeriums, wo sein Vorgänger einen grossen Zwist mit dem Generalstab hatte. Die voraussichtliche Ernennung Resnikows für den frei werdenden Botschafterposten in London dürfte ihm jetzt gelegen kommen und ist sicher nicht als Degradierung zu werten.
Was qualifiziert Rustem Umerow zum neuen Verteidigungsminister?
Dass der erst 41-jährige Umerow Krimtatar ist, hat sicher eine gewisse Symbolik, auch wenn es wohl eher eine kleine Rolle gespielt haben dürfte. Der relativ erfolgreiche Unternehmer sitzt im Parlament und gilt als guter Verhandler. Er spricht sehr gut Englisch. Umerow hat gute Kontakte in die USA, kennt aber auch den türkischen Staatspräsidenten Erdogan persönlich. Er hatte eine Rolle beim Getreidedeal, bei den ostukrainischen Verhandlungen Anfang 2022, bei Gefangenenaustauschen und informellen Gesprächen über Waffenlieferungen. Er kann Resnikow also gut ablösen. Dass er einen staatlichen Vermögensfonds und damit eine sehr bürokratische und korruptionsanfällige Behörde ohne Skandale leitete, spricht ebenfalls zu seinen Gunsten.
Wie kommt der Wechsel in der Politik und in der Bevölkerung an?
Da stellt man sich schon die Frage, ob das tatsächlich nötig war. Weil Umerow aber auch bei der Opposition gut ankommt und selber aus einer Oppositionsfraktion im Parlament stammt, ist man dieser langfristigen Lösung gegenüber relativ offen und gelassen. Auch im Wissen, dass Resnikow und das Verteidigungsministerium nicht so richtig zusammenpassten. Bei Umerow ist man sehr optimistisch.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.