Seit der Aufkündigung des Abkommens über den Export von ukrainischem Getreide letzte Woche greift Russland verstärkt mit Drohnen und Raketen die Schwarzmeerhäfen der Ukraine an. Gestern wurde auch der Donauhafen von Reni an der rumänischen Grenze bombardiert, eine Alternativroute für ukrainische Agrarprodukte in den Westen.
Im Zentrum stehen allerdings die Häfen von Odessa, wo die Russen nach ukrainischen Angaben bisher mehrere Lagerhallen und 60’000 Tonnen Getreide zerstörten. In der Millionenstadt sprachen die Behörden von mehreren Dutzend beschädigten Gebäuden, zahlreichen Verletzten und mindestens einem Toten. Schwer beschädigt wurde durch eine Rakete auch die grösste und älteste Kathedrale Odessas.
Schiffsverkehr zu gefährlich
Momentan kann die Ukraine von ihren Schwarzmeerhäfen aus kein Getreide mehr exportieren. Das liegt aber nicht primär an den Zerstörungen an den Hafenanlagen, sondern an der offenen Drohung Russlands, mit dem Ende des Getreideabkommens jegliche dort ein- und auslaufenden Schiffe zu versenken. Frachttransporte von Odessa aus sind also im Moment schlicht zu gefährlich.
Brisant ist im Zusammenhang mit den russischen Drohungen der Angriff auf den ukrainischen Donauhafen von Reni, der nur gerade 200 Meter von der rumänischen Grenze entfernt liegt. Hätten die Russen also nur ein bisschen danebengeschossen, wäre ein Nato-Staat getroffen worden – mit allen potenziell weitreichenden Konsequenzen.
Ausweichrouten haben zu wenig Kapazitäten
Der Donauhafen von Reni ist allerdings weiterhin in Betrieb, wobei weniger Schiffe als vor dem Angriff abgefertigt werden. Auch sind dessen Kapazitäten im Vergleich zu den ukrainischen Meerhäfen sehr klein.
Bereits vor dem Abschluss des Getreideabkommens vor einem Jahr wurde deshalb intensiv über Ausweichrouten für den Getreideexport diskutiert. Die Transportvolumen über Rumänien und Polen wurden in der Folge erhöht.
Doch es zeigte sich angesichts der enormen Getreidemengen bald, dass Strasse, Schiene und Donau die Schwarzmeerhäfen niemals ersetzen können. Die Verkehrsinfrastruktur der Ukraine ist an sich nicht im besten Zustand, die Bahnlinien sind oft einspurig und die Strassen vielfach überlastet. Das führte schon wiederholt zu kilometerlangen Lastwagenstaus an den Zollübergängen zu Polen.
Das zynische Angebot des Kremls an Afrika
Präsident Putin bietet zurzeit nun vor allem afrikanischen Staaten an, für die ausgebliebenen Exporte aus der Ukraine in die Bresche zu springen. Gleichzeitig klagt er, die westlichen Sanktionen würden russische Exporte behindern. Das ist in etwa so, wie wenn jemand die Lösung für ein Problem anbietet, dass es ohne ihn gar nicht geben würde.