Die Schlacht in Bachmut spitzt sich zu. Gemäss übereinstimmenden Medienberichten rückt die russische Armee immer weiter vor. So hat am Mittwoch etwa der Chef der Söldner-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, mitgeteilt, dass der östliche Teil der Stadt eingenommen wurde.
Ist Bachmut schon bald ganz in russischen Händen? Nähert sich der monatelange Kampf einem Ende? SRF-Auslandredaktor David Nauer schätzt ein.
SRF News: Steht Bachmut vor dem Fall?
David Nauer: Das ist schwierig zu sagen. Die Lage ist für die Ukraine schon sehr lange prekär. Bisher hat man die Verteidigung allerdings aufrechterhalten können. Die Stadt könnte in den nächsten Tagen fallen, es könnte aber auch noch länger dauern oder schlicht gar nie passieren.
Klar ist, dass Russland den östlichen Teil eingenommen hat. Hier gibt es nicht nur die Aussage von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, auch Meldungen aus dem ukrainischen Lager und Bilder aus der Stadt bestätigen dies.
Was bedeutet das für die Schlacht?
Dazu muss man zunächst die Struktur Bachmuts kennen. Die Stadt wird durch den Fluss Bachmutka in einen Ost- und Westteil geteilt. Die ukrainischen Streitkräfte haben sich jetzt hinter den Fluss zurückgezogen. Er dient ihnen als Verteidigungslinie, ist sozusagen eine natürliche Barriere. Es gibt auch Berichte, wonach einige Brücken gesprengt wurden. So will die Ukraine die Überquerung des Flusses durch russische Truppen erschweren.
Es ist auch wichtig, zu verstehen, dass der westliche Teil Bachmuts grösser und wichtiger ist. Dort befindet sich unter anderem auch das Stadtzentrum.
Nehmen wir an, die Stadt fällt schon bald ganz in russische Hände. Welche Folgen hätte das?
Es wäre ein russischer Sieg, der sich vor allem auf die Motivation der Truppen auswirken würde. Die Symbolkraft ist da; Russland hat seit dem Frühsommer kaum militärische Erfolge erzielt und versucht nun, Bachmut mit allen Mitteln zu erobern. Auch für die Ukraine hat die «Festung Bachmut» inzwischen hohe symbolische Bedeutung.
Auch für die Ukraine hat die ‹Festung Bachmut› inzwischen hohe symbolische Bedeutung.
Das ist auch ein Grund, weshalb in den vergangenen Monaten so viel über Bachmut berichtet wurde. So könnte wohl auch der Eindruck in der Öffentlichkeit entstanden sein, dass aus einem russischen Sieg dort grosse Gebietsgewinne resultieren würden.
Ist dem nicht so?
Es gibt zwei Szenarien: Einerseits wäre mit dem Fall Bachmuts die ukrainische Verteidigungslinie im Donbass an einer wichtigen Stelle eingebrochen. Das könnte dazu führen, dass Russland bei einem Sieg weiter in den Westen bis nach Kramatorsk, dem letzten ukrainischen Vorposten in der Region, vordringt. Dort würde es dann wohl zur Entscheidungsschlacht im Donbass kommen. Auch Wolodimir Selenski hält übrigens dieses Szenario für plausibel.
Und das zweite Szenario?
Dieses besagt, dass sich die Ukraine auf den Verlust Bachmuts vorbereitet und westlich der Stadt mehrere Verteidigungslinien errichtet hat. Die entscheidende Frage wäre dann, ob diese halten. Ist dies der Fall, würde die russische Armee zwar leicht vorrücken, aber nicht grössere Gebietsgewinne erzielen können. Ich halte dieses zweite Szenario für wahrscheinlicher.
Das Gespräch führte Pascal Studer.