Darum geht es: Während sich das Kriegsgeschehen in der Ukraine in den Osten und die Städte am Schwarzen Meer verlagert hat, rückt nun auch Transnistrien in den Fokus: In der abtrünnigen Region Moldawiens kam es zu mehreren Explosionen. Am Montag wurde das Ministerium für Staatssicherheit in der transnistrischen Hauptstadt Tiraspol beschossen. Die Zentralregierung der Republik Moldawien äusserte sich betroffen – es handle sich um einen Versuch, in der abtrünnigen Region Spannungen zu schaffen. Durch die Sprengung zweier Radiomasten droht sich die Lage weiter zu verschärfen.
Gegenseitige Schuldzuweisungen: Es gibt keine gesicherten Informationen zur Urheberschaft der Angriffe. Der Kreml zeigte sich gemäss der russischen Nachrichtenagentur Ria besorgt. Russland wolle ein Szenario vermeiden, «in dem es gezwungen sei, in Transnistrien zu intervenieren.» Kiew beschuldigt dagegen Moskau, selbst zu provozieren, um Panik zu schüren. Demnach könnten die in Transnistrien stationierten russischen Truppen versuchen, von dort aus die Ukraine in Richtung der Stadt Odessa am Schwarzen Meer anzugreifen.
De-facto-Regime ohne Anerkennung: Abseits vom Fokus der Weltöffentlichkeit hat sich in Transnistrien ein Gebiet herausgebildet, das völkerrechtlich zwar zu Moldawien gehört, faktisch aber eng mit Russland verbandelt ist. Das de-facto-Regime wird ausschliesslich von Moskau gestützt. International wird es nicht als eigener Staat anerkannt – es hat aber ein eigenes politisches System, stellt Pässe aus, und hat auch eine eigene Hymne und sogar eine eigene Währung, wie Miriam Kosmehl, Osteuropa-Expertin bei der Bertelsmann-Stiftung, erklärt.
Das Recht des Stärkeren: Moldawien ist das ärmste Land in Europa und weder Mitglied der EU noch der Nato. Es erklärte sich 1990 für unabhängig von der Sowjetunion; auf einen blutigen Konflikt folgte ein Waffenstillstand, der bis heute andauert. Seither sind in Transnistrien russische Truppen stationiert, heute sind es zwischen 1000 und 1500 Soldaten. Dazu kommen Moskau-treue Paramilitärs. «Gekennzeichnet ist die Herrschaft durch eine intransparente Verflechtung von Politik und Wirtschaft, es gilt das Recht des Stärkeren», sagt Kosmehl. In der Region wuchert die organisierte Kriminalität. Korruption, Geldwäsche und Schmuggel sind Alltag.
Moskau schürt eingefrorene Konflikte: Für den Historiker Oliver Jens Schmitt geht es Russland generell darum, ehemalige Sowjetrepubliken wie die Ukraine, Georgien oder eben auch Moldawien in ihrer Orientierung Richtung Westen zu behindern. «Dies, indem man ihnen künstlich Konflikte einpflanzt, diese teilweise einfriert und wieder hochfährt.» Kosmehl sieht das ähnlich. Im Kleinen spielt sich für die Osteuropa-Expertin in Transnistrien ab, was seit 2014 auch Donbass in der Ukraine passiert: Russland schürt Spannungen innerhalb eines souveränen Staates, um sich aussenpolitisch Einfluss zu sichern.
Ausweitung des russischen Herrschaftsgebiets: Das russische Militär liess jüngst verlauten, es wolle sich über die Ukraine einen Zugang zu Transnistrien schaffen. Damit würde Russland seinen Einflussbereich noch einmal erheblich ausdehnen und könnte auch die Ukraine noch stärker in die Zange nehmen, sagt Kosmehl. «Das Putin-Regime wäre damit auch noch näher an den Grenzen der EU.» Ein beunruhigender Gedanke, schliesst die Forscherin. «Es würde die Situation der Ukraine noch einmal deutlich verschlechtern und sich sicherheitspolitisch auch negativ auf die EU auswirken.»
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