25 Millionen Tonnen Getreide lagern momentan in der Ukraine, können aber wegen des Kriegs nicht exportiert werden. Es hat noch Platz für 15 Millionen, aber erwartet wird eine Ernte von 30 Millionen Tonnen.
15 Millionen müssen also irgendwie ausser Landes gebracht werden, damit das Getreide nicht verrottet. Getreide, auf das viele Länder angewiesen sind. Doch weil die Schwarzmeerhäfen blockiert sind, kann es nicht verschifft werden. Alternativen zu finden, ist schwierig. Die UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO spricht von einer grotesken Situation.
Normalerweise verlassen 1.5 Millionen Tonnen pro Woche die Schwarzmeerhäfen der Ukraine. Der Plan der ukrainischen Regierung ist nun, so viel pro Monat ausser Landes zubringen. Das heisst: Es würde zehn Monate dauern, bis diese 15 Millionen Tonnen erreicht wären, wenn es klappen würde. «Das ist viel zu lange», sagt SRF-Italien-Korrespondent Peter Voegeli, der derzeit mit einer FAO-Delegation in der Ukraine unterwegs ist.
LKW-Stau an der polnischen Grenze
«Konkret würde das heissen, dass 800 Lkws oder Zugwaggons pro Tag über die Grenze müssten. Das ist unmöglich, denn schon jetzt stauen sich Hunderte von Lkws an der polnischen Grenze», so Voegeli. Jakob Kern, Nothilfekoordinator des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), habe ihm von 500 Lkws erzählt, die dort schon seit Tagen warteten. «Und was auch ein Problem ist: Die EU-Bürokratie mit Papieren und Zertifikaten macht alles noch komplizierter.»
Die FAO und das WFP hoffen auf eine diplomatische Lösung. «Dann könnte man das Getreide relativ schnell aus den Häfen schiffen, da die verlegten Minen den Ukrainern ja bekannt sind; man könnte die Schiffe daran vorbeipilotieren.» Viel Getreide lagere bereits dort, die Schiffe seien dort, so Voegeli. «Es muss also eine politische Lösung her, denn über Land ist es logistisch unmöglich.»
Die FAO hat ihr Hauptquartier für die Ukraine in Poljana aufgeschlagen, einem kleineren Ort in der Westukraine. Hier wohnen etwa 3000 Menschen. «Die FAO ist ja eigentlich schon lange in der Ukraine. In Kramatorsk, in Mariupol, in Kiew und Lwiw. Aber die ersten zwei Städte sind ja Kriegsgebiet», erklärt der Korrespondent. Deshalb habe die FAO beschlossen, sich etwas abseits zu organisieren.
Geld statt Lieferung von Lebensmitteln
Zum einen organisiert die FAO von Poljana aus Nothilfe, damit die Menschen ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen haben. «Aber es geht auch um längerfristige Programme», so Voegeli. Darum, die Wirtschaft auch längerfristig am Laufen zu halten. Denn die Kriegssituation könne noch Jahre andauern. «Es gibt bei der FAO zum Beispiel Programme für die Saatgutverteilung an Kleinbauern. Und natürlich wird auch Geld verteilt.» Denn Lebensmittel gebe es eigentlich genug im Land. Das grösste Problem des FAO-Chefs in der Ukraine, Pierre Vauthier, sei denn auch nicht, Nahrung zusammenzubringen, sondern Geld, wie dieser dem SRF-Redaktor sagte.
Das WFP, die Schwesterorganisation der FAO, verteilt etwa 75 Dollar pro Person im Monat, damit diese sich kaufen können, was sie brauchen. Der Winterweizen wurde ausgesät, geerntet wird er in zwei Monaten. Mais, Gerste, Sonnenblumen kommen im Herbst dazu. «Das heisst, es gibt schon eine Ernte», so der Korrespondent in Poljana. «Aber es gibt viele Unwägbarkeiten dabei, diese Ernte einzufahren und sicherzustellen.» Die Landwirtschaft sei stark beeinträchtigt: «Zum Teil werden Silos bombardiert, Minen liegen auf Feldern, und es gibt zu wenig Leute in der Landwirtschaft.»