- Syriens Regierungstruppen haben das letzte von den Rebellen gehaltene Teilstück der Hauptverkehrsader M5 zurückerobert.
- Das Herrschaftsgebiet der Rebellen wird immer kleiner.
- Durch den Vormarsch der Regierung wachsen zugleich die Spannungen mit der Türkei.
Die Truppen der Anhänger von Präsident Baschar al-Assad gewinnen zusehends Oberhand. Letzter Coup der Regierungstruppen: die Rückeroberung des letzten Teilstücks der syrischen Schnellstrasse M5 nahe Aleppo. Damit brachten sie diese zentrale syrische Verkehrsachse wieder vollständig unter Kontrolle – erstmals seit rund acht Jahren. Die Route verbindet die Hauptstadt Damaskus und Aleppo.
Teile der M5 gehörten bislang zu der letzten grossen Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens, die noch von islamistischen Rebellen gehalten wird. Deren Herrschaftsgebiet wird jedoch immer kleiner. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass die Rebellen nicht mehr in der Lage sind, einmal verlorenes Gebiet zurückzuerobern.
Spannungen mit Türkei steigen
Syriens Regierungstruppen sind im Bürgerkrieg vor allem deswegen überlegen, weil Russland und der Iran sie unterstützen. Die syrische und die russische Luftwaffe bombardieren das Rebellengebiet regelmässig. Bei Angriffen von Assads Luftwaffe auf Idlib starben am Dienstag mindestens zwölf Zivilisten, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete. Demnach wurde östlich der Stadt ein syrischer Helikopter abgeschossen.
Durch den Vormarsch der Regierung wachsen zugleich die Spannungen mit der Türkei, die die Rebellen unterstützt und in der Region militärische Beobachtungsposten aufgebaut hat. Schon am Montag waren Ankara zufolge durch syrischen Beschuss fünf türkische Soldaten getötet worden. Das türkische Militär setzte daraufhin nach eigenen Angaben mehr als hundert syrische Militärs «ausser Gefecht».
Auch die USA mischen mit
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte mit neuen Vergeltungsmassnahmen. Wenn den türkischen Soldaten in ihren Beobachtungsposten oder anderen Orten «auch nur der kleinste Schaden zugefügt wird, dann werden wir ab heute die Kräfte des Regimes überall angreifen, ohne an Idlib oder die Grenzen des Sotschi-Abkommens gebunden zu sein», sagte Erdogan während einer Rede vor Mitgliedern seiner Regierungspartei AKP. Er wurde mehrfach von Applaus unterbrochen.
US-Aussenminister Mike Pompeo forderte derweil in seiner Twitter-Botschaft ein Ende der «Angriffe des Assad-Regimes und Russlands». Um auf diesen «destabilisierenden Angriff» entsprechende Reaktionen zu koordinieren, habe er den Diplomaten James Jeffrey nach Ankara beordert.
Dieser traf dort am Abend ein. Pompeo betonte, dass die USA den Nato-Partner Türkei unterstützten.
Für Erdogan steht in Idlib viel auf dem Spiel. In dem dortigen Rebellengebiet leben rund drei Millionen Zivilisten, mehr als die Hälfte von ihnen Flüchtlinge. Allein seit Dezember wurden laut der UNO durch den Regierungsvormarsch fast 700'000 Menschen vertrieben.
Die humanitäre Lage ist katastrophal, wie Helfer berichten. Rücken Assads Anhänger weiter vor, könnten Hunderttausende verzweifelte Menschen versuchen, die geschlossene Grenze zur Türkei zu überwinden. Das Nachbarland hat bereits mehr als 3.6 Millionen Syrer aufgenommen.
Viel ausrichten kann die Türkei in Idlib allerdings nicht, obwohl dort nach Angaben des Militärexperten Metin Gürcan inzwischen etwa 9000 türkische Soldaten im Einsatz sind. Doch Russland kontrolliert den Luftraum.