- Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt gegenüber SRF, dass die Rekursfrist gegen den Passentzug der Frau ungenutzt verstrichen ist.
- Damit wird erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs der Entzug eines Schweizer Bürgerrechts rechtskräftig.
- Die Frau hatte sich dem IS angeschlossen und ist heute mit ihren inzwischen drei Kindern in einem Gefangenenlager in Syrien interniert.
In Genf war sie 1989 als Tochter einer Schweizerin und eines Tunesiers zur Welt gekommen, besass neben der französischen Staatsbürgerschaft auch jene der Schweiz – seit heute nicht mehr: Der Bund hat ihr um Mitternacht das Bürgerrecht entzogen. Mehrmals wurde der Fall öffentlich publiziert. Jetzt sind alle Fristen verstrichen, der Entzug des Schweizer Passes ist rechtskräftig.
Auf Anfrage von SRF bestätigt das Bundesverwaltungsgericht, dass innerhalb der 30-tägigen Frist keine Beschwerde gegen den Entscheid des Staatssekretariats für Migration (SEM) eingegangen sei. Das bedeute, dass die Frau ab sofort nicht mehr Schweizer Bürgerin sei.
Trotz Ablauf der Rekursfrist gewährt der Bund einen zeitlichen Puffer, da eine Beschwerde auch auf einem Schweizer Konsulat oder einer Botschaft hätte eingereicht werden können und noch nicht eingetroffen sei. Das SEM spricht von «rund einer Woche».
Bund versuchte die Frau zu kontaktieren
Dass die Frau dies in letzter Minute gemacht hätte, scheint unwahrscheinlich. Denn obwohl sie in einem Lager für Frauen und Kindern in Nordsyrien interniert ist, hat sie durchaus Kontakt zur Aussenwelt, wie SRF aus mehreren Quellen weiss.
Zudem hat der Bund offenbar versucht, direkt Kontakt mit der Frau aufzunehmen, um ihr das rechtliche Gehör zu gewähren. Das ist allem Anschein nach auch deshalb gescheitert, weil die Frau sich vor den kurdischen Truppen, die das Lager kontrollieren und Botschaften weiterleiten könnten, versteckt hält. Mehr noch: Die Frau hat sich offenbar bewusst entschieden, keinen Rekurs einzulegen. Das haben SRF-Recherchen im Umfeld der Familie ergeben.
Zweifel an Rechtmässigkeit des Entscheids
Der Pass-Entzug der Genferin wird damit rechtskräftig, ohne dass ein Gericht den Entscheid des SEM geprüft hätte. Aus Sicht mehrerer kritischer Juristen wäre das nötig, denn es bestünden erhebliche Zweifel, ob ausreichend juristische Gründe für einen Bürgerrechtsentzug vorliegen würden.
Der Fall der Genferin hat nun aber einen anderen Fall überholt, den Pass-Entzug gegenüber einem Mann aus dem Tessin, dessen Bürgerrechtsentzug das SEM im September kommuniziert hatte und bisher als erster Fall galt. Doch wurde dort die Rekursfrist genutzt. Der Entzug ist somit nicht rechtskräftig und vor Bundesverwaltungsgericht hängig, wie das Gericht anfangs Januar gegenüber Radio SRF bestätigt hat.
Die Frau reiste mit ihren Kindern nach Syrien
Der Fall der heute 30-jährigen Frau aus Genf ist auch deshalb aussergewöhnlich, weil sie 2016 die Schweiz nicht alleine in Richtung Syrien verlassen hatte: Sie nahm ihre zwei Töchter mit, gegen den Willen der beiden Väter. Im Territorium des selbst ernannten «Islamischen Staates» bekam sie ein weiteres Kind. Heute sind die drei Mädchen knapp zwei, sieben und 14 Jahre alt.
SRF stand kürzlich mit Personen in Kontakt, die die Kinder im Gefangenenlager getroffen haben und ihren Zustand als prekär beschrieben. Trotz der Kälte und Nässe hätten sie keine Winterkleider und seien barfuss unterwegs.
Tagesschau, 04.02.20, 19:30