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Kriegsverbrechen in Syrien Die Frau, die Assad das Fürchten lehren könnte

Dem Weltgericht sind die Hände gebunden – wegen Moskaus Veto. Jetzt nimmt Catherine Marchi-Uhel die Sache in die Hand.

  • Die Empörung ist riesig und fast weltweit: Das syrische Regime von Baschar al-Assad dürfte straflos davonkommen, obschon es Hunderttausende Menschen auf dem Gewissen und sogar Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat.
  • Assads Schutzmacht Russland verhindert mit ihrem Veto im UNO-Sicherheitsrat, dass sich der Internationale Strafgerichtshof mit den Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen in Syrien befasst.
  • Doch vielleicht kommt es doch noch anders. Dank einer unauffälligen Richterin aus Frankreich.

Zur Person

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Catherine Marchi-Uhel begann als Jugendrichterin in Frankreich. Doch seit Jahrzehnten wirkt sie auf der internationalen Bühne: am UNO-Sondertribunal in Kambodscha, Liberia und Kosovo. Als UNO-Ombudsfrau musste sie auch beurteilen, ob Namen zu Unrecht auf die Terrorliste gelangt waren. So unauffällig sie erscheint, so hartnäckig ist Marchi-Uhel.

Müssen sich der syrische Diktator Baschar al-Assad und seine Schergen vor dieser dunkelhaarigen, kleinen Frau, die gerne und oft lacht, fürchten? Catherine Marchi-Uhel meint: «Ja, das müssen sie.»

Die Französin hat begonnen, mit einem zurzeit zehnköpfigen, bald aber sechzigköpfigen Team aus Staatsanwälten, Forensikern, Geheimdienstexperten und Detektiven Beweise für Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen in Syrien zu sammeln.

Alternative zu Weltstrafgericht

Eigentlich wäre das die Aufgabe des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag. Doch weil Russland mit seinem Veto seit Jahren verhindert, dass sich der ICC mit dem Fall Syrien befassen darf, musste die UNO eine Alternative suchen. Und sie hat sie gefunden.

All jene UNO-Mitglieder, die nicht akzeptieren, dass die Verbrechen des syrischen Regimes ewig ungesühnt bleiben, haben die Gruppe um Marchi-Uhel ins Leben gerufen, obschon noch gar nicht klar ist, vor welchem Gericht Assad und seine Schergen dereinst angeklagt werden.

Gelegentlich braucht es kreative Lösungen, um der Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen.
Autor: Damaris Carnal Schweizer Diplomatin in New York

Jetzt schon zu handeln, ist notwendig, denn Beweise verschwinden, werden vernichtet, Zeugen sterben, werden eingeschüchtert oder gar getötet. Wartet man zu, fehlen oft die Beweismittel, wenn ein Prozess endlich beginnt.

Unterstützung aus der Schweiz

Marchi-Uhels Arbeitsgruppe wird nicht zuletzt von der Schweiz unterstützt. «Gelegentlich braucht es kreative Lösungen, um der Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen», erklärte die Schweizer Diplomatin Damaris Carnal in New York.

31 weitere Staaten finanzieren das Projekt derzeit mit, bald sollen es noch mehr sein. Eine Finanzierung über den UNO-Haushalt ist wegen Moskaus Widerstand unmöglich. Klar ist, dass Assads Schutzmacht Russland Marchi-Uhels Bestrebungen nicht unterstützt – es gebe Kontakte, mehr jedoch nicht.

Keine eigenen Recherchen in Syrien

Das Team von Marchi-Uhel kann vorläufig nicht selber in Syrien recherchieren, doch andere UNO-Organe und etliche private Hilfsorganisationen sind dort. Deshalb ist die Französin zuversichtlich, mehr als genug Belege für solide Anklagen zusammenzubekommen.

Sie will auch Material der UNO-Ermittlungskommission nutzen, der bis vor kurzem die Schweizerin Carla del Ponte angehört hat. Zwar sind nicht alle Rechercheergebnisse strafrechtlich relevant, einige aber schon.

Prozessort unbekannt

Bloss: Wer soll Assad und seine Handlanger letztlich verurteilen? «In erster Linie natürlich syrische Gerichte», sagt Marchi-Uhel. Das setzt allerdings voraus, dass die Syrer ihr diktatorisches Regime irgendwann loswerden und ein neues Syrien entstehen wird. Und das kann dauern.

Prozesse sind auch vor anderen nationalen Gerichten denkbar. Und schliesslich liesse sich ein breit abgestütztes internationales Gericht schaffen, selbst wenn Russland und einige andere Länder dabei nicht mitmachten.

Assad könnte büssen

Wo immer Assad letztlich angeklagt und verurteilt wird, er könnte einem Strafverfahren bald nur noch in Syrien selber, in Russland und in ein paar wenigen andern Ländern entkommen. Sein Manövrierraum, seine Reisefreiheit würden schrumpfen, seine Vermögen könnten beschlagnahmt werden.

Catherine Marchi-Uhel will dafür sorgen, dass trotz der Blockade im UNO-Sicherheitsrat der lange Arm der Justiz die Täter erreicht. Ja, die Täter, die Drahtzieher, ihre Helfer und Helfershelfer – sie alle sollen sich fürchten davor, was ihnen blühen könnte.

Audio
Richterin aus Frankreich im Kampf gegen Baschar al-Assad
aus Rendez-vous vom 13.11.2017. Bild: Keystone
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