Dieudonné Nagiriwubuntu, der Leiter der Völkermord-Gedenkstätte in Kigali, führt durch das Mahnmal. «Hier sind wir auf dem Friedhof. Wir haben 14 Massengräber. Mehr als eine Viertelmillion Opfer sind hier begraben», sagt er.
Alles, was aus dem RTLM Radio zu hören war, war töten und morden.
Über 250'000 Personen haben allein hier in der Gedenkstätte in Kigali ihre letzte Ruhe gefunden. Damals, 1994, wurden innerhalb von 100 Tagen bis zu einer Million Menschen regelrecht massakriert. Im Visier stand die Bevölkerungsgruppe der Tutsis, Täter waren Hutu-Extremisten. Tatwaffen waren oft Macheten, Hacken oder Keulen.
Der Völkermord in Ruanda gilt als effizientester Genozid in der Geschichte. Nirgendwo wurden schneller mehr Menschen getötet. Möglich war das nur, weil die Täter mit Waffen ausgerüstet und tagtäglich durch Hasspropaganda aufgestachelt wurden.
Tutsis wurden im Radio als Kakerlaken bezeichnet
Im Völkermord-Museum führt Nagiriwubuntu zur Wand, wo die Rolle der Medien dargestellt ist. Félicien Kabuga ist hier aufgeführt als einer der Hauptinhaber des Hassradios RTLM. Im «Radio Télévision Libre des Mille Collines», wurde dazu aufgerufen, Tutsis zu töten. Sie wurden im Radio als Kakerlaken bezeichnet, die es auszurotten gilt.
Zehn Minuten Autofahrt von der Genozid-Gedenkstätte entfernt, hält der Taxifahrer Donat Nduwamungu vor dem ehemaligen Gebäude des Hassradios RTLM an. «Sie sagten im Radio: Die Tutsis sind ein Problem, greift die Tutsis an. Wenn ihr Hilfe braucht, unterstützen wir euch. Alles, was aus dem RTLM Radio zu hören war, war töten und morden», erzählt er.
Neben Kabuga gewohnt
Der 50-jährige Nduwamungu hat viele Erinnerungen an Kabuga. Der damals reichste Mann Ruandas wohnte in seiner Nachbarschaft. Als Jugendlicher sah Nduwamungu die Interahamwe-Milizen, die den Völkermord durchführten, auf Kabugas Grundstück trainieren. Kabuga soll die Interahamwe finanziert und mit Macheten ausgerüstet haben.
Nduwamungu weiss viel über Kabuga. Nur, warum er mehr als ein Vierteljahrhundert untertauchen konnte – das weiss er nicht.
Unrühmliche Rolle der Schweiz
Die Schweiz hätte 1994 die Möglichkeit gehabt, den mutmasslichen Völkermörder festzunehmen. Schon damals war bekannt, welche Rolle er beim Genozid wohl spielte.
Doch die Eidgenossenschaft zog es vor, Kabuga und seiner Familie Ausreisetickets im Wert von über 20'000 Franken zu spendieren. Bevor er ins Flugzeug stieg, liess man den Geschäftsmann noch seine Schweizer Bankkonti leeren.
Damit war die Schweiz das erste von vielen Ländern, das es Kabuga ermöglichte, 26 Jahre lang auf der Flucht zu sein.
Praktisch meine gesamte Verwandtschaft ist beim Genozid umgekommen.
Für Taxifahrer Nduwamungu ist das ein Affront. «Kabuga hat den Genozid organisiert. Praktisch meine gesamte Verwandtschaft ist dabei umgekommen», sagt er. Mutter, sieben Geschwister und deren Kinder wurden ermordet. Einzig der Säugling eines Cousins habe überlebt. «Das kleine Mädchen wurde auf der Strasse gefunden, an der Brust seiner toten Mutter saugend.»
Der Ruander ist froh, dass der mutmassliche Financier des Genozids nun endlich vor Gericht steht. Als Richter würde der Taxifahrer aus Kigali Kabuga nur eine Frage stellen wollen – im Wissen, dass er von Kabuga darauf wohl nie eine Antwort erhalten wird: «Was haben die Tutsis Ihnen angetan, dass Sie sie alle vernichten wollten?»