Die russische Wirtschaft ist angespannt, der Rubel schwach, die Inflation hoch. Und das spüren die Menschen im Land. Just zum grössten Fest des Jahres, dem Neujahrsfest, sind einige Grundnahrungsmittel schwindelerregend teuer. Russland-Korrespondent Calum MacKenzie mit den wichtigsten Antworten.
Worin besteht das Problem der russischen Wirtschaft?
Die Rüstungsindustrie und die Kriegswirtschaft des Kreml verursachen die Probleme. Der russische Staat pumpt etwa 40 Prozent des Budgets in den Militär- und Sicherheitssektor. Es ist viel Geld im Umlauf, die Leute geben mehr aus, was zu einer massiven Inflation führt.
Gleichzeitig ist die Wirtschaft am Anschlag, es gibt kaum mehr Kapazitäten, um mehr zu produzieren, es fehlen etwa fünf Millionen Arbeitskräfte, die Sanktionen schränken die Unternehmen ein und machen Importe teurer. Die Wirtschaft stagniert, das würde man normalerweise mit einer Senkung des Leitzinses bekämpfen. Die massive Inflation geht man aber in der Regel mit Erhöhungen des Leitzinses an. Die russische Wirtschaft befindet sich also in einer doppelt schwierigen Situation, für die es keine einfache Lösung gibt.
Wie wirkt sich das auf die Unternehmen im Land aus?
Mit Ausnahme der Rüstungsindustrie stagnieren oder schrumpfen alle Bereiche der Privatwirtschaft. Unternehmer beklagen, sie könnten wegen des hohen Leitzinses keine Kredite mehr aufnehmen. Aber viele Unternehmen sind auf Kredite angewiesen, um ihren Tätigkeiten nachzugehen: In der Baubranche muss man beispielsweise meist Kredite aufnehmen, um grosse Projekte zu realisieren. Jetzt können viele entweder nicht bauen oder machen Schulden, die sie nicht mehr zurückzahlen können. Ein sehr grosses russisches Bauunternehmen soll gar am Rande des Konkurses stehen. Auch der Verband der Einkaufszentren schlug jüngst Alarm: 200 Einkaufszentren laufen Gefahr, bankrott zu gehen.
Wie spüren die Russinnen und Russen die hohe Inflation?
Aktuell liegt die Inflation bei 9.5 Prozent. Die Leute spüren diese hohe Teuerung schon. Der Preis von Butter hat sich verdoppelt. Der Preis von Eiern hat sich mehr als verdoppelt. Kartoffeln kosten 65 Prozent mehr als vor einem Jahr. Das wiegt gerade vor dem wichtigen Neujahrsfest schwer: Der Verband der Lebensmittelhersteller hat ausgerechnet, dass ein typisches Festessen an Silvester dieses Jahr über 10 Prozent teurer wird. Auch Weihnachtsbäume kosten deutlich mehr. Eine Zeit lang relativierten steigende Löhne die Teuerung etwas, aber das scheint jetzt nicht mehr zu wirken.
Kommt die russische Wirtschaft aus ihrem Teufelskreis heraus?
Das ist schwer zu sagen, vor allem wenn es tatsächlich so ist, dass der Kreml die Zentralbank nun direkt zu beeinflussen versucht. Eigentlich kann man die Inflation nicht bändigen, solange der Staat so viel Geld in die Rüstungsindustrie investiert. Und der Kreml hat nicht vor, damit aufzuhören. Lange sah die russische Wirtschaft gut aus, aber Expertinnen und Experten sagten immer, dass diese auf Krieg getrimmte Wirtschaftspolitik nicht nachhaltig ist.
Ein Kollaps der Wirtschaft steht vielleicht nicht gerade bevor, solange der Staat noch Reserven hat, aber auch diese schwinden und kommen vor allem aus dem Geschäft mit Öl und Gas. Kurz- bis mittelfristig wird es mit hoher Inflation und Konkursen in der Privatwirtschaft weitergehen. Die Lebensqualität der einfachen Russinnen und Russen wird sinken. Das nimmt der Kreml gerne in Kauf, solange er weiter Krieg führen kann.