Der Krieg in der Ukraine geht in seinen dritten Winter. Und noch immer wird erbittert um jeden Meter gekämpft. Im Osten des Landes hat sich die Lage für die Verteidiger verschlechtert. Eine Stadt, die lange eine ukrainische Festung war, ist offenbar in russische Hand gefallen.
Russland führt seinen Krieg in der Ukraine mit unverminderter Härte fort – und rüstet weiter auf: Laut einem Gesetzesentwurf will der Kreml im kommenden Jahr 127 Milliarden Franken in die Armee investieren. Das wäre eine deutliche Steigerung gegenüber dem Vorjahr, das bereits ein absolutes Rekordjahr für den russischen Militärsektor war.
Im vergangenen Jahr nahm man in Russland an, dass die Militärausgaben ihren Höhepunkt erreicht haben. Nun sieht es aber danach aus, dass der Krieg weitergeht.
Die Nachricht kommt überraschend. Denn eigentlich sollten die Militärausgaben ab dem nächsten Jahr deutlich sinken, auf rund 80 Milliarden Franken.
Markus Ackeret, Russland-Korrespondent der NZZ, erklärt die Mehrinvestitionen mit einer Neubeurteilung der Lage in der Ukraine. «Im vergangenen Jahr nahm man in Russland an, dass die Militärausgaben ihren Höhepunkt erreicht haben. Nun sieht es aber danach aus, dass der Krieg weitergeht.»
Investitionen in Mensch und Material
Insgesamt geht wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ein Drittel des Haushalts in den Rüstungs- und Verteidigungssektor. Das Geld dient der Beschaffung neuer Waffen und Ausrüstung, aber auch der Anwerbung und Besoldung von Soldaten. Für Ackeret belegt die massive Erhöhung des Militärbudgets, dass der Krieg in der Ukraine weiterhin die Priorität der russischen Regierung bleibt.
Russland wurde vom Westen mit schweren Wirtschaftssanktionen belegt. Kann es die Mehrausgaben überhaupt stemmen? Durchaus, sagt der Russland-Korrespondent. «Die Gesamtausgaben des Haushalts steigen zwar weiter. Man rechnet aber auch mit höheren Einnahmen.» Diese Berechnungen könnten sich allerdings mit Blick auf die Steuererträge als zu optimistisch herausstellen, schränkt Ackeret ein.
Griff in den «Wohlstandsfonds»
Mit 0.5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist das russische Haushaltsdefizit jedoch sehr gering, auch im Vergleich zu westeuropäischen Staaten. «Russland hat zudem vor, seine Schulden zu erhöhen. Allerdings dürfte das angesichts der relativ niedrigen Staatsverschuldung kein grosses Problem sein.»
Dazu kommt: Allfällige Haushaltslöcher kann Russland auch stopfen, «weil es in den guten 2000er-Jahren viel Geld mit Erdöl- und Erdgasexporten verdient hat», so Ackeret. Aus diesem «Wohlstandsfonds» bedient sich der Kreml nun in schlechteren Zeiten.
Brüchiger Wirtschaftsboom
Den Krieg in der Ukraine kann sich Russland also «leisten». Auch, weil die russische Wirtschaft boomt. Laut Experten ist die Kriegskonjunktur mit massiven Exporten von Öl und Gas zu niedrigen Preisen und massiv höherer Rüstungsproduktion aber wenig nachhaltig.
Auch Ackeret warnt: «Die Wirtschaft läuft zwar auf Hochtouren. Für das Geld, das im Umlauf ist, gibt es aber zu wenig Angebot und Arbeitskräfte, sodass die Löhne immer stärker steigen.» Die Folge: Die russische Wirtschaft droht zu überhitzen, die schon jetzt relativ hohe Inflation könnte weiter steigen.
«Dem kann die Zentralbank nur durch eine Erhöhung der Leitzinsen entgegenwirken», schliesst der NZZ-Korrespondent. «Dies schafft jedoch wenig Anreize für Unternehmen, um zu investieren. Angesichts der hohen Zinsen wird auch die Bevölkerung abgeschreckt, Kredite aufzunehmen.»