Was ist passiert? Nach schweren Explosionen auf der von Russland besetzten Schwarzmeer-Halbinsel Krim sind nach russischen Behördenangaben am Samstag Teile der Krim-Brücke eingestürzt. Die Detonation hat sich in einem LKW-Transporter ereignet, mehrere Waggons eines Güterzugs standen am Samstagmorgen in Flammen. Der Vorfall wird nun untersucht.
Ist der Verkehr noch beeinträchtigt? Güter- und Fernverkehrszüge rollten laut dem russischen Verkehrsministerium am Sonntag wieder im normalen Betrieb über die Krim-Brücke, der Regionalverkehr soll am Abend wieder anlaufen. Im Autoverkehr kam es zu stundenlangen Wartezeiten an der Brücke, wie Medien berichteten. Laut britischen Experten dürfte die Explosion die Kapazität der Strassenverbindung erheblich verringert haben. Zwei der vier Fahrspuren seien auf einer Länge von 250 Metern eingestürzt. Die anderen beiden Spuren würden aber wahrscheinlich wieder genutzt, heisst es im täglichen Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums.
Wer steckt hinter dem Angriff? Es sei offenkundig, dass die Ukraine dafür verantwortlich sei, betont Nauer. Ebenso sei klar, dass Profis am Werk gewesen sein müssen. «Die Kräfte wussten, was sie taten. Die Brücke ist äusserst gut bewacht und dementsprechend schwierig ist es, solche Aktionen durchzuführen.» Die Zeitung «Ukrajinska Prawda» berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise in Kiew, dass der Geheimdienst SBU hinter der Spezialoperation stecke. Der SBU bestätigte das nicht, veröffentlichte aber wie viele offizielle Stellen in der Ukraine in den sozialen Netzwerken Aufnahmen von der brennenden Brücke – und stellte ein Gedicht dazu.
Welche symbolische Bedeutung hat die Brücke? Es gab in der Hauptstadt Kiew immer wieder Drohungen, die von Kremlchef Putin 2018 eingeweihte Brücke unter Beschuss zu nehmen. Die Bedeutung der Brücke für den Kreml kann gemäss David Nauer nicht genug unterstrichen werden: «Sie ist in der russischen Propaganda das Bindeglied zur Krim.» Auch der Zeitpunkt der Explosion dürfte laut Nauer kein Zufall gewesen sein: «Am Freitag feierte Putin seinen 70. Geburtstag. Der Angriff könnte sozusagen ein nachträgliches ‹Geschenk› der Ukraine für Putin gewesen sein.»
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Bild 1 von 7. Dicker Rauch stieg am Samstag, 8. Oktober, über der Krim-Brücke auf. Bildquelle: Reuters/Stringer.
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Bild 2 von 7. Auch vom Land aus war die Rauchentwicklung gut zu sehen. Bildquelle: Reuters/Stringer.
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Bild 3 von 7. Teile der Brückenautobahn stürzten nach der Explosion ins Meer. Bildquelle: Imago/Security Service of Ukraine.
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Bild 4 von 7. Die Krim-Brücke war stundenlang nicht mehr befahrbar. Am Samstagabend wurde der Verkehr in begrenztem Umfang wieder aufgenommen. Bildquelle: Reuters/Social Media.
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Bild 5 von 7. Ein Ermittlerteam untersuchte den Angriffsort nach Spuren. Bildquelle: Reuters/RUSSIAN INVESTIGATIVE COMMITTEE.
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Bild 6 von 7. Bei Tageslicht wurde das Ausmass der Zerstörung an der Krim-Brücke gut sichtbar. Bildquelle: imago images/Konstantin Mihalchevskiy.
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Bild 7 von 7. Aufgrund des Zwischenfalls gab es auch Ausfälle und Verzögerungen im Zugverkehr. Menschen warteten in Simferopol auf den Zug. Bildquelle: imago images/SNA.
Welche strategische Bedeutung hat die Brücke? Nebst der symbolischen ist vor allem die militärische Bedeutung der Krim-Brücke immens. «Sie ist extrem wichtig für die Lieferung von Material. Durch die Zerstörung ist die Versorgung der Truppen im Süden, welche ohnehin prekär ist, noch viel schwieriger geworden», sagt Nauer. Dass die Ukraine mutmasslich eines der strategisch wichtigsten Objekte der Russen in die Luft sprengen konnte, sei für den Kreml eine enorme Blamage. «Der Angriff ist ein ungeheurer Schlag gegen Russland.»
Wie reagiert die Ukraine? In der Ukraine wurden die Bilder der brennenden Brücke mit Jubel aufgenommen. «Krim. Die Brücke. Der Anfang», schrieb der Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, am Samstag auf Twitter. «Alles Illegale muss zerstört werden, alles Gestohlene muss an die Ukraine zurück.» Der ukrainische Präsident Selenski machte bei seiner täglichen Videoansprache zwar kryptische Anspielungen auf die Krim, liess eine mögliche ukrainische Beteiligung aber unerwähnt.
Wie reagiert Russland? Für Russland sei der Angriff eine der grösstmöglichen Blamagen. «Man kann sich nicht vorstellen, dass Russland nicht auf diesen Schlag reagieren wird.» Zugespitzt könnte man sagen, so Nauer, dass der Angriff auf die Brücke nur noch durch einen Angriff auf den Kreml selbst getoppt werden könnte. Da die konventionellen Kriegsmittel langsam ausgeschöpft sind, sei es denkbar, dass nun neue Mittel eingesetzt werden: «Wird nun noch schärfer mit Atomwaffen gedroht? Oder gibt es gar einen massiven Raketenangriff auf Kiew?» Andererseits habe es auch früher schon ukrainische Angriffe auf russische Ziele gegeben, auf die der Kreml wider Erwarten nicht reagiert habe, betont David Nauer.