Nach den Angriffen auf saudische Ölanlagen nehmen die Drohgebärden am Golf zu. Experte Sebastian Sons ist soeben aus der saudischen Hauptstadt Riad zurückgekehrt. Er glaubt nicht an einen militärischen Alleingang des Golfstaates.
SRF News: Wie haben Sie die Stimmung im Land wahrgenommen?
Sebastian Sons: Zwar beunruhigt, aber es herrscht keine Panik oder Kriegsfurcht. Die Leute haben Vertrauen, dass ihre Regierung die richtigen Schlüsse ziehen und massvoll reagieren wird. Sie haben Sorge darum, dass sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert. Aber Angst, dass Leib und Leben bedroht wären, haben sie nicht. Es gibt auch keine erhöhte Sicherheitspräsenz.
Obwohl diese Anschläge doch sehr überraschend kamen?
Sie kamen in gewisser Weise überraschend, weil es eine sensible Infrastruktur getroffen hat. Andererseits war Saudi-Arabien in den letzten Monaten immer wieder Raketenangriffen von Jemen ausgesetzt. So zynisch es klingen mag: Einige in Saudi-Arabien haben mir gesagt, dass sie sich mittlerweile an diese Situation gewöhnt haben.
Bin Salman könnte versuchen, sein Image zu verbessern, indem er sich als klarer Verfechter eines anti-iranischen Kurses präsentiert.
Offenbar kann das saudische Militär wichtige Einrichtungen nicht schützen – gibt es Kritik am Herrscher Mohammed bin Salman?
Die gibt es nur unter vorgehaltener Hand und auch nicht erst jetzt. Bin Salman könnte nun auch politisches Kapital aus der Situation schlagen und sich als Opfer darstellen. Er hofft vor allem darauf, dass die internationale Gemeinschaft Saudi-Arabien wieder in ihren Schoss aufnehmen wird. Dies, nachdem man nach dem Mord an Khashoggi sehr stark in die Kritik und Isolation geraten ist. Bin Salman könnte versuchen, sein Image zu verbessern, indem er sich als klarer Verfechter eines anti-iranischen Kurses präsentiert.
Am Mittwoch hat das saudische Militär Hinweise vorgelegt, dass hinter diesen Anschlägen der Iran stehen soll. Wie werden die Saudis jetzt reagieren?
Schwer zu sagen. Bin Salman wird versuchen, die internationale Gemeinschaft von gemeinsamen neuen Sanktionen gegen Iran zu überzeugen, und er bespricht mit den USA das militärische Vorgehen. Aber einen militärischen Alleingang kann es nicht geben. Saudi-Arabien weiss, was ein Krieg bedeuten würde.
Sie schliessen einen Alleingang also aus?
Ja. Auch wenn Saudi-Arabien militärisch hochgerüstet ist, sagt man selbst im Land, dass die Kampferfahrung fehlt und der Iran sehr überlegen sei. Das sieht man auch teilweise bei Militäroperationen im Jemen oder eben bei den fehlenden Massnahmen gegen solche Angriffe im eigenen Land.
Für die Saudis wird Jemen immer mehr zu einem Konflikt wie in den 70er-Jahren Vietnam für die USA. Gibt es eine Exit-Strategie?
Die Exit-Strategie bestand bisher darin, die Huthis zu besiegen. Das war von Anfang an schwierig zu erzielen. Aber jetzt, auch durch den Teil-Truppenabzug der verbündeten Emirate aus dem Jemen, ist das deutlich unwahrscheinlicher geworden. Die Exit-Strategie ist also sehr vage. In Saudi-Arabien spricht man in der Tat von einem saudischen Vietnam oder Afghanistan.
Saudi-Arabien braucht eigentlich jeden Dollar, um die eigene Wirtschaft zu verbessern.
Der Druck für Saudi-Arabien wird immer grösser, sich aus dem Konflikt zurückzuziehen. Die internationale Reputation leidet darunter, weil man kaum militärische Erfolge erzielt. Zudem steckt Saudi-Arabien in einem wirtschaftlichen Transformationsprozess und braucht jeden Dollar, um die eigene Wirtschaft zu verbessern. Da ist der teure Krieg im Jemen und mittlerweile auch bei der eigenen Bevölkerung unbeliebt – zumindest, wenn man mit ihnen unter vier Augen sprechen kann.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.