Behände klettert Hamed Farhangi über den Schutt, der hinter dem eisernen Eingangstor liegt. Mit ernsthafter Freude führt er uns auf eine Baustelle. Seine Baustelle: «Dieses Haus gehörte einer alteingesessenen Familie. Ich habe es vor Kurzem gekauft. Es war schon lange mein Traum, ein Hotel zu besitzen, oder einen Ort, an dem Menschen gehen und kommen können».
Nur dass das Hotel, das der junge Iraner hier baut, an einer der gefährlichsten Stellen der Weltpolitik liegt.
Wir sind auf der Insel Qeshm. Qeshm ist eine kleine, vorgelagerte Insel vor der iranischen Küste in der Nähe der Stadt Bandar Abbas – und sie liegt direkt an der Strasse von Hormus. Dass wir hierher reisen durften, war schon ein kleines Wunder. Dass uns das Ministerium für Kultur und islamische Führung, das jeden unserer Drehs bewilligen muss, hier frei filmen lässt, ist es noch viel mehr.
Denn die Strasse von Hormus ist eine der bedeutsamsten Wasserstrassen der Welt. Ein Fünftel des Erdöls, das die Welt verbraucht, wird durch das Nadelöhr verschifft. Deshalb steht diese Meerenge im Zentrum eines zuletzt gefährlich eskalierenden Konflikts: Zwischen den USA und ihren Verbündeten Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf der einen Seite, und dem Iran auf der anderen Seite.
Im letzten halben Jahr sind in diesem Seegebiet sechs westliche Öltanker bei Angriffen beschädigt worden. Kurz darauf schoss der Iran eine amerikanische Drohne ab. Und im September haben Drohnen oder Raketen die wichtigste saudische Ölförderungs-Anlage getroffen. Die USA beschuldigen den Iran, hinter den Angriffen zu stecken. Mit Ausnahme des Drohnenabschusses bestreitet Teheran jegliche Beteiligung.
Bereit zum Risiko
Dass jemand wie Hamed Farhangi ausgerechnet an diesem Ort ein kleines Boutique-Hotel bauen und damit Touristen vorwiegend aus dem Westen anlocken will, erscheint uns bei aller Schönheit, die an diesem Ort vorstellbar ist, durchaus ein Risiko zu sein.
Als jemand, der im Iran lebt, gehe ich immer ein Risiko ein.
Doch Farhangi rümpft nur die Nase: «Natürlich ist das ein Risiko. Aber die logische Antwort, die ich darauf geben kann, ist: Als jemand, der im Iran lebt, gehe ich immer ein Risiko ein. Wir hatten nie eine stabile Situation und wir haben auch jetzt keine stabile Situation. Also, weshalb soll ich kein Risiko eingehen?»
Farhangi hat für seinen Traum ein geerbtes Haus in Teheran verkauft. Jetzt pendelt der gelernte Fotograf zwischen der Hauptstadt und Qeshm. «Ich kann nicht sagen, dass ich gar keine Angst habe. Wenn ich die Nachrichten höre, dann denke ich immer, dass ich an einem Ort investiere, der sehr nah dran ist, wenn die Dinge wirklich schieflaufen. Aber jeder hat seine eigene Meinung: Ich denke nicht, dass es so weit kommen wird.»
Druckmittel Meerenge
Sollte die Meerenge zwischen dem Iran und der arabischen Halbinsel im Zuge des Konfliktes mit den USA blockiert werden, hätte dies direkte Folgen für die Weltwirtschaft. Kein Wunder, dass die Iraner dieses Druckmittel nutzen, um die Sanktionen Amerikas zu kontern.
«Iranische Regierungsvertreter haben mehrfach betont, dass wenn der Iran aufgrund der Sanktionen kein Öl mehr verkaufen kann, andere auch nicht mehr in der Lage sein sollen, ihr Öl zu verkaufen.» Politologie-Professor Foad Izadi funkelt seine Besucher herausfordern an.
Der Iran will seinen Gegnern klarmachen, dass es nicht schmerzfrei sein wird, ihn anzugreifen.
«Niemand konnte bis jetzt beweisen, dass tatsächlich der Iran hinter all diesen Ereignissen in der Strasse von Hormus steckt. Aber es ist klar: Der Iran will seinen Gegnern klarmachen, dass es nicht schmerzfrei sein wird, ihn anzugreifen oder in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen.»
Kapitän Mohammed Allaf Zadeh nickt nur, als wir ihm von der Einschätzung des Professors erzählen. Zadeh fährt uns mit seinem kleinen Boot so nah wie möglich an die Öltanker und Frachtschiffe heran, die vor uns auf die Weiterfahrt durch die engste Stelle am Golf warten. «Niemand kann uns Schaden zufügen. Niemand! Wenn sie versuchen, uns Schaden zuzufügen, werden sie zuerst leiden», sagt er.
Wie Perlen auf einer Schnur liegen die Schiffe aufgereiht. An ihrer engsten Stelle zwischen dem Iran und Oman auf der gegenüberliegenden Seite ist die Strasse von Hormus 55 Kilometer breit. «Mit diesem Boot sind es fünf bis sechs Stunden bis nach Oman. Bis zu den Vereinigten Arabischen Emiraten dauert es etwa gleich lang. Mit einem schnelleren Boot kannst du es auch in einer Stunde schaffen.»
Der Iran begegnet den amerikanischen Sanktionen mit einer zweigleisigen Strategie. Einerseits trifft er seine Gegner genau dort, wo es ihnen weh tut. Das sind die Öltanker in der Strasse von Hormus und die saudischen Öl-Anlagen auf dem Festland. Andererseits entfernt er sich Schritt für Schritt vom Atomabkommen, zuletzt mit der Ankündigung, Uran schneller und höher als bisher anzureichern.
Damit will der Iran die Kosten für seine Gegner derart in die Höhe treiben, dass diese am Ende die Trump‘sche Strategie des «maximalen Drucks» aufgeben, die Sanktionen aufheben und in Verhandlungen einsteigen, in denen der Iran tatsächlich auch etwas verlangen kann.
Das ist eine riskante Strategie. Doch Angst, dass die Situation an der Strasse von Hormus ausser Kontrolle geraten könnte, haben weder Kapitän Zadeh noch Professor Izadi: «Der Iran will keinen Krieg. Er will vor allem nicht gegen die Saudis kämpfen. Sie sind unsere Nachbarn, und als Nachbarn sollte man gute Beziehungen haben. Unglücklicherweise können wir nicht sagen, dass die Prinzen auf der anderen Seite dasselbe denken. Aber wir hoffen, dass sie ihre Meinung bald ändern, denn diese Eskalation ist für sie schmerzhafter als für den Iran.»
Und dass US-Präsident Donald Trump nicht gewillt ist, am Persischen Golf einen neuen Krieg zu beginnen, hat er bereits im Frühsommer vor der ganzen Welt gezeigt, als er einen bereits beschlossenen Militärschlag der USA als Vergeltung für die nahe der Strasse von Hormus abgeschossene US-Drohne in letzter Minute abblies.
An der Strasse von Hormus sind jedenfalls fast alle unsere Gesprächspartner überzeugt, dass die Sanktionen und die Strategie des maximalen Drucks der USA ins Leere laufen werden.