Das Wichtigste in Kürze
- Bei manchen Chilenen kam der Besuch von Papst Franziskus nicht gut an.
- Ein Grund: Der Papst verteidigte einen Bischof, der den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch einen Angehörigen des Klerus gedeckt haben soll mit dem Argument, es gebe keine Beweise.
- Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Die Reise nach Chile galt als die schwierigste von allen, die der argentinische Papst je angetreten hat. Denn die chilenische Kirche sieht sich einem Aderlass von Gläubigen ausgesetzt. Weniger als die Hälfte der Chilenen bezeichnen sich als katholisch, ein Drittel beschreibt sich als konfessionslos oder ohne Glauben.
Das sind Werte, die zu den schlechtesten auf dem katholischen Kontinent Lateinamerika gehören. Entscheidend beigetragen zum Schwund der Gläubigen haben erstens Dutzende Fälle von sexuellem Missbrauch, die von Priestern begangen wurden. Und zweitens waren es die Manöver des lokalen Klerus, die Verbrechen zu verheimlichen. Mit den üblichen Mitteln wie Druck auf die Opfer, manchmal auch mit Geldzahlungen.
Papst anerkennt irreparable Schäden
In einem Fall zog der Vatikan mit einem kanonischen Verfahren den Täter aus dem Verkehr. Deshalb schien es zunächst so, als würde Franziskus seine Verantwortung als Kirchenoberhaupt wahrnehmen und sich den Herausforderungen stellen.
Er verspüre Schmerz und Schande angesichts der irreparablen Schäden, die katholische Geistliche angerichtet hätten, sagte Franziskus denn auch in einer Ansprache im chilenischen Regierungssitz.
Unkritisch einem von ihm ernannten Bischof gegenüber
Später zeigte sich allerdings, dass es sich eher um eine päpstliche Phrase handelte. Denn die schwarzen Schafe in der Kirche verteidigt Franziskus eisern. Die Anschuldigungen gegen den von ihm ernannten Bischof von Osorno in Südchile seien eine simple Verleumdung, da nicht ein einziger Beweis vorliege. Erst wenn das der Fall sei, werde er handeln, sagte der verärgerte Papst.
Hintergrund der Angelegenheit ist, dass der fragliche Bischof über Jahrzehnte hinweg den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch ein Mitglied des Klerus duldete und den Täter deckte.
Hätte ich etwa ein Selfie machen sollen, während er mich vergewaltigte?
«Hätte ich etwa ein Selfie machen sollen, während er mich vergewaltigte?», fragte eines der Opfer zurück. Auch in der breiten Öffentlichkeit Chiles kamen die Worte des Papstes denkbar schlecht an.
Kirche nicht willens, Täter und Mitwisser zu benennen?
Katholiken und Nicht-Katholiken sehen es als erwiesen an, dass die Kirche nicht wirklich willens ist, die Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen in ihrem Schoss zu ziehen und Mitwisser in Soutane der ordentlichen Strafjustiz zu übergeben. Eines der Missbrauchsopfer meldete sich umgehend im Fernsehen zu Wort: Es sei wohl die einzige Papstreise, bei dem es nach Abreise des Kirchenoberhauptes weniger Katholiken gebe als vor Beginn des Besuchs.
Überhaupt ist der päpstliche Abstecher ins aufgewühlte Katholikenland Chile nicht so richtig gelungen. Punkte sammelte der leutselige Argentinier Franziskus nur, als er im Flugzeug in zehntausend Metern Höhe spontan ein Paar von Flugbegleitern kirchlich traute. Bei der Messe im Gebiet der Mapuche-Indigenen hörten dem Papst aber viel weniger Gläubige zu als erwartet. Auch beim päpstlichen Gottesdienst in der Atacamawüste blieben viele Plätze frei.
Keine kritischen Bischöfe mehr
Das hat längst nicht nur mit den Missbrauchsfällen und Vertuschungsversuchen durch den Klerus zu tun. Mit dem Ende der Pinochet-Diktatur hat die chilenische Kirche aufgehört, einen volksnahen und an den Bedürfnissen der Armen orientierten Katholizismus zu praktizieren.
Während des Militärregimes hatten die Bischöfe die Menschenrechtsverletzungen angeprangert und Pinochet permanent unter Druck gesetzt. Zurzeit hingegen stehen sie für eine Kirche für die Eliten, die zwar katholisch sind, vor allem aber neoliberal. Möglich, dass Papst Franziskus die chilenischen Bischöfe deswegen ins Gebet genommen hat. Aber nichts davon ist nach aussen gedrungen.