York im Norden Englands. Bereits seit den frühen Morgenstunden säumen Hunderte von Menschen die Strassen der mittelalterlichen Stadt. Der Bischof und der Bürgermeister stehen erwartungsvoll vor dem Hauptportal der Kathedrale. Nur die Sicherheitsbeamten wirken ein bisschen nervös. Der König und seine Gemahlin werden zum Gottesdienst erwartet.
Doch gleich neben dem Seitenportal haben sich einige Dutzend auffällige Personen versammelt. Sie tragen gelbe Plakate mit der Aufschrift «Not my King». Darunter die 21-jährige Imogen.
«Was wir hier erleben, ist völlig aus der Zeit gefallen, archaisch und völlig überflüssig. An der Spitze unseres Landes wollen wir Leute sehen, welche die britische Gesellschaft repräsentieren. Leute, die wir gewählt haben, und dies sind sicher nicht Charles und Camilla.»
Doch in York gibt es vorderhand nur Charles und Camilla. Deren königliche Limousine kommt sanft vor dem Hauptportal zum Stehen. Spieldosenartig setzt ein feinjustiertes Räderwerk devoter Bewegungen ein: Männer verbeugen sich, Frauen knicksen, Kinder winken, der König nickt, die Königin lächelt. Nur Graham Smith hält sich nicht ans Protokoll. Mit seinem Megafon skandiert er laut: «Not my King.»
Historiker: «Wir sind alle gleich»
Graham ist der Chef der nationalen Bewegung der Anti-Royalisten. Für den 51-jährigen Historiker ist die Monarchie ein Verstoss gegen das demokratische Prinzip, dass alle Menschen gleich sind.
«Deshalb sind wir neidisch auf die Schweiz und ihre Verfassung. Niemand sollte durch den Zufall seiner Geburt über den anderen Menschen stehen. Niemand sollte sich vor einem anderen Menschen verbeugen müssen. Wir sind alle gleich.»
Davon ist auch Susan überzeugt. Die bevorstehende Krönung erachtet sie schlicht als Affront. «Angesichts der steigenden Lebenskosten in diesem Land, welche viele in die Armut treiben, ist die kommende Krönungsfeier eine Ohrfeige. Viele Britinnen und Briten wissen nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen, gleichzeitig finanzieren sie mit ihren Steuern eine Feier, deren Kosten auf 120 Millionen Franken geschätzt werden.»
Anti-Royalist: «Monarchie ist ein historischer Irrtum»
Anti-Royalist ist auch der ehemalige britische Staatssekretär Norman Baker. Er ist überzeugt, dass wir am Samstag die letzte Krönung erleben. «Die Monarchie ist ein historischer Irrtum, den wir längst korrigieren sollten. Teurer Zierrat. Man würde den Buckingham-Palast besser in ein Museum verwandeln. Für 20 Franken könnten die Leute auf dem Balkon den Leuten zuwinken und sich fotografieren lassen.»
Vorderhand winkt am Samstag noch der König vom Balkon des Buckingham-Palastes. Doch wie lange das noch der Fall ist, ist tatsächlich fraglich. Während der Regentschaft der verstorbenen Queen hielt sich die Zustimmung für die Monarchie mehr oder weniger konstant um die 70 Prozent. Mittlerweile ist die Zustimmung auf ein Rekordtief von 58 Prozent gefallen. Von den jungen Britinnen und Briten erachtet gar nur noch ein Drittel die Monarchie als wichtig.