Das Wichtigste in Kürze
- Die Türkei wird vom Europarat erneut unter verschärfte Aufsicht gestellt – sie wird einem Monitoring-Verfahren unterzogen.
- Grund sind die massiven Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Massenverhaftungen nach dem gescheiterten Putschversuch im vergangenen Sommer
- Präsident Erdogan wird dazu aufgefordert, die Massenentlassungen rückgängig zu machen und die verhafteten Journalisten freizulassen.
- Die Türkei lehnt das Vorgehen ab und spricht von einer «Schande» für den Europarat.
Acht Monate nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei habe sich die Menschenrechtslage deutlich verschlechtert, stellt der Europarat in einer Entschliessung fest. Die Medienfreiheit sei stark eingeschränkt, der Rechtsstaat deutlich geschwächt worden. Die Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan nutze den nach dem Putschversuch verhängten Ausnahmezustand, um Oppositionelle einzuschüchtern und Medien mundtot zu machen.
Deshalb nimmt die Versammlung das Monitoring für die Türkei wieder auf: Zwei Berichterstatter des Europarates werden in regelmässigen Abständen in die Türkei reisen. In Gesprächen mit Regierungsvertretern, Parlamentarieren, Oppositionellen sowie Vertretern von Nicht-Regierungsorganisationen sollen sie sich dort über die politische Lage informieren.
Türkei nach 13 Jahren wieder unter Beobachtung
Journalisten freilassen
Der Europarat forderte die Regierung in Ankara dazu auf, die nach dem gescheiterten Staatsstreich vorgenommene Massenentlassung von rund 150'000 Beamten, Richtern, Polizisten und Hochschullehrern rückgängig zu machen. Ausserdem müssten die etwa 150 inhaftierten Journalisten wieder auf freien Fuss gesetzt werden. Das Gleiche gelte für zwölf Abgeordnete die seit November inhaftiert seien. Die meisten von ihnen gehören der pro-kurdischen HDP an.
Während der mehrstündigen Debatte in Strassburg kritisierten zahlreiche Abgeordnete das Referendum vom 16. April, bei dem eine knappe Mehrheit der türkischen Wähler einer äusserst umstrittenen Verfassungsänderung zustimmte und damit den Weg für eine erhebliche Ausweitung der Machtbefugnisse des Präsidenten ebnete. Der Abstimmungskampf sei nicht fair gewesen, betonte etwa der österreichische Sozialdemokrat Stefan Schennach.
Todesstrafe nicht mit Europa vereinbar
Mehrere Redner reagierten empört auf Erdogans Drohung, eine Volksbefragung zur Wiedereinführung der Todesstrafe zu organisieren. Die Rückkehr zur Todesstrafe sei mit der Mitgliedschaft im Europarat nicht vereinbar, sagte der französische Sozialist René Rouquet.
Sprecher aller massgeblichen Fraktionen verteidigten den Beschluss, die Türkei wieder unter verschärfte Aufsicht zu stellen. Dies sei keine «Sanktion», der Europarat müsse aber dafür sorgen, dass seine Regeln eingehalten werden, sagte der deutsche SPD-Abgeordnete Frank Schwabe.
Türkei-Vertreter weisen Vorwürfe von sich
Vertreter der türkischen Delegation wehrten sich gegen den Entscheid des Europarats: Sie warfen der Versammlung vor, die Lage in der Türkei nicht richtig einzuschätzen. Die Entschliessung sei «subjektiv». So nehme sie die Terrordrohungen der kurdischen Separatisten nicht zur Kenntnis, sagte Saban Disli von der Regierungspartei AKP.
Das türkische Aussenministerium seinerseits verurteilte den Beschluss des Europarats als politisch motiviert. Die Entscheidung sei auf «bösartige Kreise» in der parlamentarischen Versammlung zurückzuführen und «eine Schande für das Organ, das behauptet, die Wiege der Demokratie zu sein». Die Türkei sei «ein entschiedener Verteidiger moderner europäischer Ideale und Werte».