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Kritik an Jeff Bezos Karikaturisten mit spitzer Feder – oder mit der Schere im Kopf?

Eine angriffige Zeichnung wurde von der «Washington Post» abgelehnt. Dies spornt andere Karikaturisten aber nur zusätzlich an.

Die Karikatur, die das Publikum der «Washington Post» nicht zu sehen bekommen sollte, geht um die Welt: Tech-Milliardäre wie Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos, die sich vor Donald Trump zu Boden werfen und ihm mit ihren Geldbeuteln huldigen. Der Fall hat weltweit Aufsehen erregt und beschäftigt Pressezeichnerinnen und Karikaturisten auch hierzulande.  

Weil sich die «Washington Post» weigerte, die Karikatur ihrer Pulitzer-Preis-gekrönten Zeichnerin Ann Telnaes abzudrucken, reichte diese umgehend ihre Kündigung ein. Und ihre Illustration verbreitete sich millionenfach rund um den Globus. 

Abgelehnte Karikatur inspiriert andere Karikaturisten

Dass die Zeitung die Karikatur nicht abdruckte, weil sie auch den «Washington-Post»-Besitzer Jeff Bezos ins Visier nimmt, hat den Karikaturisten Oger, Gewinner des Swiss Cartoon Awards 2024, seinerseits zu einer Karikatur inspiriert. 

Karikatur eines Gesichts mit TNT-Stempel, beworben als 'CEO'-Bleistift bei Amazon.
Legende: ZVG/Oger/Petarde

Oger zeichnet für das unabhängige Online-Satiremagazin «Petarde». In der Schweiz werde der Raum für Karikaturen enger, wegen der Pressekonzentration und des Spardrucks auf den Redaktionen. Deshalb werden für die Schweizer Karikaturisten andere Verbreitungswege wichtiger – Wochenmagazine, Verbandspublikationen, Onlinemedien oder eben die Satire-Plattform «Petarde».

«Die Tech-Giganten in den USA und die Parteien versuchen, die Speerspitze stumpf zu machen.» Das sagt Silvan Wegmann alias Swen, der als Karikaturist für die «Aargauer Zeitung» arbeitet. Er hoffe, dass diese Tendenz nicht nach Europa hinüberschwappe.

Satire-Zeichnung, zwei Menschen in Ritterrüstung kämpfen mit Stöcken.
Legende: Swen kuratiert jeweils die jährliche «Gezeichnet»-Ausstellung der besten Schweizer Pressezeichnungen, die derzeit in Bern zu sehen ist. ZVG/SWEN/AARGAUER ZEITUNG

Die aktuelle Ausstellung «Gezeichnet» zeigt für Swen, dass die Schweizer Karikaturistinnen und Pressezeichner immer noch mit spitzer Feder zu Werke gehen: «Ohne Schere im Kopf, aber präziser, vielleicht ein Thema auch mit einem anderen Ansatz angehen – aber wir lassen uns von Druckversuchen nicht beeindrucken, im Gegenteil!» 

Lachender Mann mit Torte, anderer am Tisch überrascht.
Legende: Die Karikatur von Tomz ist eine Anspielung auf die hohen Gewinne, die der «Tages-Anzeiger»-Konzern erzielt, während auf den Redaktionen gleichzeitig Dutzende von Kündigungen ausgesprochen wurden.  ZVG/TOMZ

Dass eine Karikatur abgelehnt wird, das kommt aber auch hierzulande vor. Vor ein paar Wochen druckte der «Tages-Anzeiger» aus Anlass des 25-Jahr-Jubiläums ihres Haus-Karikaturisten Felix Schaad eine Seite mit Cartoons von anderen Zeichnern. Tom Künzli alias Tomz nahm dabei den Chef des «Tages-Anzeiger»-Konzerns, Pietro Supino, ins Visier: «Seine Humor-Gewinnmarge liegt weit über 15 Prozent», sagt Supino, während er Schaad eine Geburtstagstorte überreicht.

Doch die Karikatur wurde nicht publiziert. Der stellvertretende «Tages-Anzeiger» - Chefredaktor Matthias Chapman schreibt gegenüber SRF: «Für dieses feierliche Jubiläum wollten wir, dass Felix Schaad im Zentrum steht. Bei der angesprochenen Karikatur fanden wir, dass dies nicht erfüllt ist.»

«Karikaturen wichtig für demokratischen Diskurs»

Der Zeichner Tomz hingegen findet den Entscheid bedauerlich: «Klar, die Zeitungen sind wirtschaftlich unter Druck, es werden Massenkündigungen ausgesprochen – da überlegt es sich eine Redaktion zwei- oder dreimal, ob sie eine Karikatur abdrucken soll oder nicht. Aber es ist bedenklich für unsere Gesellschaft, für unsere Demokratie!»

Bezos, Zuckerberg, Micky Mouse.
Legende: Ann Telnaes

Eine Karikatur solle zuspitzen, überzeichnen, das könne jemanden verärgern, aber auch einen anderen Blick auf ein Thema ermöglichen, so Tomz. «Karikaturen sind wichtig für den demokratischen Diskurs, gerade in einer Zeit, wo sich viele Menschen statt mit Zeitungen nur noch über Social Media informieren und so kaum noch mit anderen Themen und Meinungen konfrontiert werden.»

Echo der Zeit, 12.1.2025, 18 Uhr

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