Der neuste Fall: Der Tod einer schwangeren 33-Jährigen in einem polnischen Spital hat die Debatte über das faktische Abtreibungsverbot im Land neu befeuert. So gingen am Mittwoch tausende Menschen im ganzen Land gegen das rigide Abtreibungsrecht auf die Strasse. In Warschau trugen die Protestierenden Bilder der jüngst verstorbenen Frau und Plakate mit der Aufschrift «Wir wollen gebären, nicht sterben» und «Wir wollen Ärzte, keine Missionare». Ähnliche Proteste gab es auch in Krakau, Posen (Poznan), Lodz und weiteren Städten.
Das sagt die Regierung: Nach dem tragischen Todesfall der schwangeren Frau beteuerte die Regierung zwar, ein Schwangerschaftsabbruch sei legal und möglich, wenn Gefahr für ihre Gesundheit oder das Leben der werdenden Mutter bestehe. Doch die Realität sieht anders aus: Seit das polnische Verfassungsgericht Ende 2020 grünes Licht für die Verschärfung des ohnehin rigiden Abtreibungsrechtes gab, sind in Polen mindestens drei Frauen gestorben – weil ihnen nach Komplikationen eine Abtreibung verweigert wurde.
So lautet das Gesetz: Abtreibung in Polen ist seit 2021 grundsätzlich verboten – selbst wenn der Fötus schwerwiegende Fehlbildungen aufweist. Legal ist ein Schwangerschaftsabbruch laut Gesetz nur im Fall einer Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung oder wenn das Leben der werdenden Mutter gefährdet ist. Die konservative Regierung habe mit dem Gesetz damals von ihrem Versagen in der Corona-Politik ablenken wollen, sagt Jan Opielka. Er ist freier Korrespondent in Polen.
Für viele Gläubige in Polen ist Abtreibung dasselbe wie Mord.
Das ist die Realität: «In bestimmten Teilen der Gesellschaft und in ländlichen Gebieten Polens ist Abtreibung ein Tabu», so Opielka. Er sieht den Grund dafür vor allem im starken katholischen Glauben der Bevölkerung: «Für viele Gläubige gilt Abtreibung als Mord.» Die amtierende konservative Regierung sowie die katholische Kirche verstärkten diese Haltung. Andererseits fordern liberale Kreise in der polnischen Gesellschaft eine Lockerung der Abtreibungsgesetzgebung. Es sind diese Kreise, die jetzt – wie schon Anfang 2021 nach dem Urteil des Verfassungsgerichts – auf die Strasse gehen.
Keine Konsequenzen: Die Regierung will jetzt immerhin eine Expertenkommission einsetzen, welche die Kriterien für einen legalen Schwangerschaftsabbruch gemäss der geltenden Gesetzgebung konkretisiert. Es soll also quasi ein Katalog erstellt werden für die Ärzte, in welchen Fällen eine Abtreibung durchgeführt werden darf, ohne dafür bestraft zu werden. «Das hätte schon viel früher gemacht werden müssen», sagt dazu Opielka. Die Regierung sei aber grundsätzlich nicht bereit, das rigide Abtreibungsgesetz anzupassen.