Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist die PKK der Staatsfeind. Er bekämpft die kurdischen Aufständischen zuhause, aber auch in Syrien. Und seit Mitte Juni auch wieder stärker im Nordirak. Im Nachbarland der Türkei hat die kurdische Untergrundorganisation ihre Rückzugsgebiete.
Man könnte annehmen, die tonangebende kurdische Bewegung im Nordirak, die KDP, würde den türkischen Vormarsch scharf verurteilen und sich auf die Seite der angegriffenen kurdischen Brüder der PKK schlagen. Doch die KDP rang sich nur zu einem vagen Statement durch. Sie kritisierte die türkische Armee und die kurdische PKK gleichermassen, sie sollten ihren Konflikt anderswo austragen. Grenzüberschreitende Solidarität sieht anders aus.
Der Politwissenschaftler Brendan O’Leary ist nicht überrascht. «Die KDP im Nordirak hat den bewaffneten Aufstand der PKK gegen den türkischen Staat stets abgelehnt und sich für eine demokratische Lösung der kurdischen Frage ausgesprochen», sagt der intime Kenner der kurdischen Politszene.
Zwar sieht auch im Nordirak ein Teil der kurdischen Bevölkerung den bewaffneten Kampf der PKK als angemessene Antwort auf die Unterdrückung kurdischer Ambitionen innerhalb der Türkei. Die beiden grossen kurdischen Organisationen dies- und jenseits der Grenze aber sind sich spinnefeind.
Dahinter stehen historische Rivalitäten zwischen zwei verschiedenen kurdischen Clans, aber auch scharfe ideologische Differenzen. «Ein entgegengesetztes strategisches Kalkül kommt hinzu», sagt O’Leary.
Im Nordirak haben die Kurden auf den Trümmern des irakischen Staats nach der Jahrtausendwende ein Stück Selbstbestimmung erreicht, von dem Kurden in der Türkei oder im Iran nur träumen können. Es gibt hier eine anerkannte kurdische Autonomiezone.
Die Kurden sind im Grunde ihre eigenen ärgsten Feinde.
«Um überlebensfähig und möglichst unabhängig von der irakischen Zentralregierung in Bagdad zu sein, ist diese Autonomiezone auf Exporte von Öl und Gas ins Nachbarland Türkei angewiesen», sagt O’Leary. Also auf gute Beziehungen zur türkischen Regierung.
Allerdings, auch durch die nordirakische Autonomiezone selbst geht ein tiefer Graben. Während die KDP enge Beziehungen zum türkischen Staat unterhält, pflegt die zweite historische Kraft im kurdischen Nordirak, die PUK, enge Beziehungen zum anderen grossen Nachbarn, Iran.
Auch in der Rivalität zwischen KDP und PUK vermischen sich ideologische Differenzen mit alten Ressentiments zwischen zwei kurdischen Clans.
Die beiden verfeindeten Parteien trugen noch in den 1990ern einen blutigen Bruderkrieg aus. Immerhin, sie rauften sich zusammen als die historische Chance auf eine Autonomiezone im Nordirak möglich wurde. «Das tiefe Misstrauen aber ist geblieben», sagt O’Leary, der regelmässig die kurdischen Behörden in Erbil berät.
Die Ambitionen der PKK in Syrien lieferten Erdogan einen Vorwand für den Einmarsch im Nachbarland. Auf Solidarität aus Erbil kann die PKK auch in Syrien nicht zählen. Die KDP fühlt sich ausgeschlossen von dem Projekt der PKK im syrischen Kurdengebiet.
Das grosse Dilemma der Kurden ist: Sie sind umgeben von Mächten, die ein Interesse haben, sie möglichst schwach zu halten. Und die sehr geschickt darin sind, sie gegeneinander auszuspielen. Die Kurden mit ihren inneren Konflikten helfen diesen Mächten regelmässig dabei. «Die Kurden sind im Grunde ihre eigenen ärgsten Feinde», fasst O’Leary die bittere Situation zusammen.