Die türkische Offensive in Nordsyrien betrifft ein kompliziertes Geflecht von Akteuren. Das sind wichtigsten Parteien im Konflikt:
Die Kurden: Verdammt zur Allianz mit Assad
Die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) sind die dominierende Kraft im Norden und Osten Syriens. Sie führen auch die Syrischen Demokratischen Kräfte an, die – unterstützt von den USA – den IS zurückschlugen. Assads Vater bürgerte die Kurden einst aus, der Sohn setzte die Repression fort.
Die Allianz mit Assad und Russland schafft den Kurden in Syrien keine neuen Freunde.
Nun haben sie einen gemeinsamen Feind: die Türkei. «Beide wollen sie nicht in Syrien», erklärt Nahost-Korrespondentin Susanne Brunner. «Die Kurden mussten aber in einen sehr sauren Apfel beissen.» Garantien gebe es von Assad keine – dafür neue Gegner.
Die Türkei: Erdogans Himmelfahrtskommando
Für Ankara ist die YPG-Miliz ein Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation. Die Strukturen, die die Kurden entlang der Grenze aufgebaut haben, sind Erdogan ein Dorn im Auge. Dort soll eine «Sicherheitszone» entstehen, in der syrische Flüchtlinge angesiedelt werden können.
Die Experten sind sich einig: Der Umsiedlungsplan lässt sich nicht umsetzen.
Für Journalist Thomas Seibert sind die Pläne zum Scheitern verurteilt. In der Region gebe es kaum Infrastruktur, keine Jobs, schlicht keine Lebensgrundlage für die meist arabischen Flüchtlinge: «Sie wollen nicht dahin.»
Syrien-Russland: Putins Werk und Assads Beitrag
Man werde der «türkischen Aggression entgegentreten», hiess es aus Damaskus. Das Regime unterhält ein gespaltenes Verhältnis zu den Kurdenmilizen – teilweise kooperierten sie, teilweise bekämpften sie sich. Nun herrscht eine Koalition auf Zeit.
Die Russen betreiben eine extreme Realpolitik: Sie reden mit jedem und loten eigene Interessen aus. Kalt, berechnend, auch zynisch – aber erfolgreich.
Der Machtfaktor in Syrien ist der Kreml. Er unterstützt nicht nur Assad militärisch, er pflegt auch Kontakte zu den Kurden und verhandelt mit der Türkei und dem Iran über Syriens Zukunft. Das klingt kompliziert und konfliktreich. «Die Russen können mit Widersprüchen aber umgehen, solange sie ihren Interessen dienen», sagt Korrespondent David Nauer.
Nato und UNO: Die Ohnmächtigen
Die Türkei ist der Brückenkopf der Nato in den Unruheherd Nahost – und zugleich Bollwerk dagegen. «Die Nato lehnt den Angriffskrieg der Türkei ab. Aber sie duckt sich und laviert», erklärt Fredy Gsteiger. Denn grundsätzlich sei das Bündnis zu gegenseitiger Solidarität verpflichtet, auch wenn die Türkei den Wertekodex der Nato arg strapaziere.
Die Nato-Staaten stecken im Dilemma zwischen Prinzipien, Pragmatismus und ein Stück weit Zynismus.
Ein Bruch mit der Türkei könnte den Westen teuer zu stehen kommen: «Es gibt Ängste, dass die Türkei dann nicht ein neutrales Land an der Nato-Grenze wäre, sondern aktiver Gegner im Verbund mit Russland.» Ähnlich vertrackt ist die Lage bei der UNO. Die türkische Operation sei zwar klar völkerrechtswidrig, so der diplomatische Korrespondent. Auf eine Resolution oder gar Sanktionen werde sich der Sicherheitsrat aber kaum einigen: «Russland ist dagegen und ein Stück weit auch die USA.»
Die USA: Supermacht ohne Kompass
US-Präsident Trump hat dem türkischen Einmarsch den Weg bereitet, indem er nach einem Telefonat mit Erdogan US-Truppen aus dem Grenzgebiet zurückzog. Von einem Freifahrtschein für Erdogan will Trump aber nichts wissen und droht mit harten Sanktionen.
In Nordsyrien herrscht das Kriegs-Chaos – in Washington ein Regierungs-Chaos.
Die US-Administration sei überfordert mit dem eigenen Präsidenten, erklärt Korrespondentin Isabelle Jacobi: «Das Pentagon hinkt hinten nach. Das Aussenministerium bezieht sich auf Tweets. Die Departemente passen die Positionen laufend an, einem improvisierenden Präsidenten nacheilend.»