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Lagerkrise auf Papua Neuguinea «Wenn keine Hilfe kommt, wird es Tote geben»

600 in einem Flüchtlingslager auf Papua Neuguinea verbliebenen Menschen droht eine humanitäre Katastrophe, wie SRF-Mitarbeiter Urs Wälterlin berichtet.

SRF News: Wie sieht die Situation im Lager auf Manus Island zurzeit aus?

Urs Wälterlin: Die Lage ist verzweifelt. Die Menschen sind seit über einer Woche ohne fliessendes Wasser, Strom, Kanalisation und Nahrung. In ihrer Verzweiflung graben die Asylsuchenden nach Wasser oder sammeln es in Mülltonnen. Es gibt bereits erste Krankheitsfälle.

Warum verlassen die Menschen das Lager nicht. Es wurden ihnen ja Behausungen nahe der grössten Inselstadt Lorengau angeboten?

Das wird von der australischen Regierung auch geltend gemacht. Theoretisch ist das ja gut und recht, aber praktisch unmöglich. Denn zum einen sind die neuen Unterkünfte noch nicht fertig gebaut, wie UNO-Beobachter vor Ort bestätigen. Auch fehle es an entscheidenden Sicherheitseinrichtungen. Zum anderen ist da als noch grösseres Problem die lokale Bevölkerung, die total gegen diese Flüchtlinge.

Die lokale Bevölkerung ist total gegen die Flüchtlinge. Vor den Toren des Lagers warten mit Macheten bewaffnete Banden auf sie.

Sie betrachten sie als Bedrohung und verweisen auf die Zuständigkeit Australiens. Den Asylsuchenden droht körperliche Gewalt und gar der Tod, wenn sie versuchen, die bisherige Anlage zu verlassen. Vor den Toren warten mit Macheten und Stöcken ausgerüstete Banden. Sie haben deutlich gemacht, dass sie die Flüchtlinge angreifen werden. So ist es zur absurden Situation gekommen, dass die Eingesperrten darum betteln, die Zäune wieder hochzuziehen, hinter denen sie zum Teil seit Jahren ausharren mussten.

Wie konnte es soweit kommen? Was ist der Hintergrund?

Seit 2013 deportiert Australien so genannte Bootsflüchtlinge in das Lager in Papua Neuguinea und ein anderes auf der Pazifikinsel Nauru. Es sind Menschen, die meist über Indonesien versucht haben, nach Australien zu gelangen. Sie stammen in der Regel aus Afghanistan, Iran und Irak. Sie werden von der australischen Marine abgefangen und auf unbestimmte Zeit in die Lager gesteckt.

Das oberste Gericht Papua Neuguineas hat die Schliessung des Lagers angeordnet. Die australischen Wärter haben sich nun zurückgezogen und die Verantwortung dem Gastland überlassen.

Die dortigen Bedingungen sind inhuman, wie verschiedene Organisationen bestätigen. Selbstmordversuche und Depression unter den Insassen, darunter auch Kinder, sind praktisch Normalität. Diese Inhumanität hat das oberste Gericht von Papua Neuguinea nun dazu veranlasst, die Schliessung des Lagers anzuordnen. Die australischen Wärter haben sich nun zurückgezogen und die Verantwortung dem Gastland überlassen.

Asylsuchende protestierten Ende Oktober gegen die Lagerschliessung auf Manus Island.
Legende: Asylsuchende protestierten Ende Oktober gegen die Lagerschliessung auf Manus Island. Keystone/Archiv

Papua Neuguinea hat also die Australier weggeschickt, weigert sich aber, zu helfen?

Das ist in Papua Neuguinea leider oft so. Es ist erst seit kurzem ein moderner Staat, die Arme der Justiz funktionieren noch nicht in jedem Fall richtig zusammen. Die Regionalregierung hat eine ganze andere Einstellung gegenüber diesem Problem als das oberste Gericht.

Gibt es eine Möglichkeit, dass das dramatische Problem gelöst wird?

Das ist sehr schwierig zu sagen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Regierung von Malcom Turnbull einknickt und die Menschen jetzt nach Australien holen wird, wie das Flüchtlingshilfeorganisationen fordern. Denn das wäre sicher ein massiver Gesichtsverlust für den politisch ohnehin angeschlagenen Turnbull, den er sich nicht leisten kann. Der rechte Flügel seiner Partei fordert ohnehin absolute Härte. Diese Politik ist im australischen Volk zudem sehr beliebt. Härte gegenüber Asylsuchenden, vor allem aus muslimischen Ländern, bringt in Australien Wählerstimmen. Die Situation im Lager auf Papua Neuguinea wird sich damit in den kommenden Tagen wohl verschärfen. Wenn keine Hilfe kommt, wird es Tote geben.

Das Gespräch führte Joel Hafner.

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