Grün sein in Bayern: Für Politiker und Politikerinnen heisst das, dicke Haut haben im Wahlkampf. Denn aus der konservativen Ecke von Hubert Aiwanger, Parteichef der Freien Wähler, tönt es so: «Sie wollen nicht das Klima retten, sondern sie wollen Deutschland kaputtmachen. Das ist doch das grosse Ziel.»
Liebe Freunde, wir essen lieber Schweinsbraten statt Insekten oder Madenmüsli. Und wenn ihr das wollt, liebe Grüne, dann könnt ihr das Zeugs selber fressen.
Auch Ministerpräsident Markus Söder setzt auf Stimmungsmache: «Liebe Freunde, wir essen lieber Schweinsbraten statt Insekten oder Madenmüsli. Und wenn ihr das wollt, liebe Grüne, dann könnt ihr das Zeugs selber fressen.»
Streitpunkt Windräder
Mitte September in Bad Tölz: Die grüne Spitzenkandidatin Katharina Schulze mischt sich unter die Leute – ihr Team ist kleiner als die Gruppe von Polizeibeamten, die sie schützen muss. So viel Hass sei noch nie gewesen im Wahlkampf. Auch eine Folge der Stimmungsmache, von Windkraftausbau ist die Rede, Bayern steht diesbezüglich schlecht da. «183 neue Windräder genehmigt in NRW unter grüner Regierungsbeteiligung, vier neue Windräder genehmigt im gleichen Zeitraum in Bayern, wo Schwarz-Orange regiert», so Schulze.
Jahrelang hat die bayerische Regierung unter CSU-Führung geblockt und die Hürden für Windräder so hoch gesetzt, dass das den Bau praktisch verunmöglicht hat.
Auf Gemeindeebene Partner
Peter Wagner ist Bürgermeister der ländlichen Gemeinde Aying: «Ich bin schon immer ein konservativ denkender Mensch, ein Landschafts- und Natur liebender, aber eben auch ein christlich eingestellter Mensch. Der Erhalt der Schöpfung ist mir schon sehr wichtig. Da rutscht man dann so rein in die CSU.»
Wobei, die CSU ist ihm eigentlich zu sehr in die Mitte gerutscht – aber gegen die Grünen hat er nichts. «Ich kann nur vom kommunalen Bereich aus reden. Da müssen wir alle zusammenarbeiten.» Da sei das Parteibuch egal. «Da muss man schauen, dass wir für unsere Gemeinde, unsere Region das Beste machen.» Und das Beste für seine Gemeinde sei ein Windrad. Seit fast zehn Jahren mühen sich Aying und die Region ab, um ein solches aufzustellen – eines, an dem die Bürger sich finanziell beteiligen können.
«Energie brauchen wir alle, das ist wirklich ein Riesenthema», so Wagner. «Seit dem Ukraine-Krieg noch viel mehr.» Und wenn man dann noch den Strom selber produzieren könne und die Bürger im Geldbeutel etwas spürten, dann sei das der richtige Weg.
Inzwischen hat Söder eine 180-Grad-Wende hingelegt: Bayern soll nun bis 2040 klimaneutral sein – fünf Jahre früher als Deutschland insgesamt. Soll das nicht nur nach Klassenbestem tönen, sondern auch so realisiert werden, dann müssten über 100 Windräder pro Jahr gebaut werden. Davon ist Bayern weit entfernt.
Gegenwind von Naturschützern
Wagner hat mit über 400 anderen bayerischen Bürgermeistern Söder in einem Brief aufgefordert, endlich vorwärts zu machen.
Das Windrad von Aying soll im Waldgebiet an der Autobahn hinkommen, wo es nicht stört. Der grösste Gegenwind kommt von ausserhalb der Gemeinde – von Naturschützern, die vielerorts in Deutschland gegen Windräder klagen.
In Aying ist das anders. «Die meisten sind positiv gestimmt», so Wagner. «Und sie fragen mich halbjährlich: ‹Wie schauts jetzt aus, wann kann ich das Geld einlegen. Wann drehen sich die Windräder?›» Er ist zuversichtlich. Noch diesen Monat rechnet er mit grünem Licht für das Projekt. Richtig los gehts im Frühling.