Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist die wichtigste überhaupt: 13 Millionen Wahlberechtigte leben hier, ein Fünftel der gesamten Bundesrepublik. Seit 20 Jahren wechseln sich CDU und SPD an der Macht ab. Hier gibt es viel zu holen – und viel zu verlieren.
Und die CDU gewinnt.
Die üblichen Regeln gelten nicht
Weder der amtierende CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst noch sein Herausforderer Thomas Kutschaty von der SPD sind populär genug, als dass sie im Wahlkampf als Zugpferde hätten dienen können. Dabei sind gerade Landtagswahlen Personenwahlen. Doch in diesem Jahr galten die üblichen Regeln ohnehin nicht.
Den Wahlkampf bestimmten keine regionalen Themen wie Schule und innere Sicherheit, sondern Russlands Krieg in der Ukraine. In Nordrhein-Westfalen, das geprägt ist von energieintensiver Stahl- und Chemie-Industrie, erweist sich die Abhängigkeit von russischem Gas als besonders verhängnisvoll.
Stimmungsbarometer für Berlin
Auf geopolitische Verwerfungen kann die Landesregierung bekanntlich wenig Einfluss nehmen, das ist Sache der Bundesregierung. Die Parteien in NRW setzten deshalb folgerichtig auf Politprominenz aus Berlin. So wurde diese Landtagswahl zum Stimmungsbarometer für Kanzler Olaf Scholz und den Oppositionsführer Friedrich Merz.
Dabei wäre Scholz eigentlich im Vorteil, denn in Kriegs- und Krisenzeiten stellt sich die Bevölkerung oft hinter die Regierung. Zuletzt war dies gut zu beobachten während der Corona-Pandemie, als die Umfragewerte der CDU und von Kanzlerin Merkel in ungeahnte Höhen schossen. Bei Scholz passiert gerade das Gegenteil.
Scholz so unbeliebt wie nie
Treibende Kraft der Ampel-Koalition in Berlin ist nicht seine SPD, sondern sind die Grünen mit Aussenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck. Auch dank ihnen erreichten die Grünen in Nordrhein-Westfalen ein Rekordergebnis und werden nun als Königsmacherin den Ministerpräsidenten bestimmen können.
Der Kanzler allerdings steht unter Druck. Eine seiner Ministerinnen musste bereits zurücktreten, eine zweite, Verteidigungsministerin Lambrecht, hat einen möglichen Begünstigungs-Skandal am Hals. Olaf Scholz selbst ist so unbeliebt wie nie (und so unbeliebt, wie es Merkel in 16 Jahren nie war). Zwei Drittel der Deutschen sind mit seiner Arbeit unzufrieden und mit seiner Kommunikation erst recht.
Scholz, ein «Zauderer»?
Impulsen nachzugehen oder Empathie zu zeigen, ist seine Sache nicht. Und für grosse politische Entscheidungen lässt er sich viel Zeit. Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz warf Scholz besonders in seiner Russlandpolitik «ängstliches Zaudern» vor und inszenierte geschickt ein Gegen-Angebot.
Merz war es, der Anfang Mai in die Ukraine reiste und Präsident Selenski die deutsche Solidarität persönlich aussprach. Da er kein Mitglied der Regierung ist und de facto nichts bewirken konnte, wurde ihm die Reise nach Kiew als Wahlkampf angelastet. Dabei nahm er nur die Rolle des Oppositionsführers wahr.
Neuer Trend
Die CDU war bei der Bundestagswahl letzten Herbst nach 16 Jahren an der Macht mit dem schlechtesten Ergebnis aller Zeiten abgestraft worden. Doch nun scheint sich ein neuer Trend abzuzeichnen, von dem auch Hendrik Wüst in NRW profitierte: Die CDU erholt sich, die SPD verliert.
Wäre heute nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in ganz Deutschland gewählt worden, hiesse der Kanzler wohl nicht mehr Olaf Scholz.