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Leichtathletik-EM in Rom: Sportstätten mit dunkler Vergangenheit
Aus Rendez-vous vom 07.06.2024. Bild: Catalogo generale dei Beni Culturali
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Leichtathletik-EM in Rom Warum ein Wandbild Mussolinis im Sport nichts zu suchen hat

Die Verantwortlichen präsentierten diese Woche das Programm der EM in Rom. Der Veranstaltungsort gab zu reden.

Ganz weit oben, beinahe an der Decke, steht Benito Mussolini. Breitbeinig, in schwarzen, langen Lederstiefeln schaut er auf sein Volk hinab, das ihm tausendfach zujubelt. Zu sehen ist diese Szene auf einem Fresko. Unter genau diesem Wandbild, das den Faschismus farbenfroh verherrlicht, ja vergöttert, präsentierten die Verantwortlichen diese Woche das Programm der Leichtathletik-EM in Rom.

Fassungslose Gesichter

Delegationen aus Ländern, die besonders unter Faschismus und Krieg litten, schüttelten die Köpfe und ärgerten sich. Die Zeitung «La Stampa» berichtet, der bulgarische Vorsitzende des europäischen Leichtathletikverbandes habe einen anderen Saal gewünscht. Doch ein solcher liess sich auf die Schnelle nicht finden. Die italienischen Organisatoren hätten beschwichtigen und erklären müssen.

Wandmalerei einer Menschenmenge mit Fahnen und Flugzeugen im Hintergrund.
Legende: Breitbeinig, in schwarzen, langen Lederstiefeln schaut Benito Mussolini auf sein Volk hinab, das ihm tausendfach zujubelt. Catalogo Beni Culturali

Ja, was muss man da eigentlich erklären? Dass Italien nach dem Krieg sein faschistisches Architekturerbe einfach stehen liess. Dass noch heute Inschriften an Palästen und Monumenten Mussolini verherrlichen. Oder dass inmitten der Sportstätten des Foro Italico ein Obelisk steht mit der Inschrift: Mussolini Dux – Mussolini der Führer.

An solches haben sich Italienerinnen und Italiener gewöhnt, aber Gäste aus dem Ausland nicht.

Keine Entnazifizierung in Italien

Warum aber liess Italien einfach alles stehen? Anders als in Deutschland gab es in Italien keine Entnazifizierung. Und anders als in Deutschland gab es in Italien Partisaninnen und Partisanen, die für ein demokratisches Italien gekämpft haben. Und die wollten im zerrissenen Nachkriegsitalien die tiefen Gräben bald einmal zuschütten. Statt Prozessen gegen Kriegsverbrecher gab es 1946 eine grosse Amnestie. Und auch ein Sturm auf Monumente des Faschismus blieb weitgehend aus.

Und trotzdem blieb das Mussolini-Fresko beim Foro Italico lange versteckt. Denn dort hatten sich nach Kriegsende die Alliierten einquartiert. Und die liessen den breitbeinigen, gestiefelten Duce übertünchen. Erst unter der Mitte-Links-Regierung von Romano Prodi restaurierte man den Saal und brachte das Fresko zurück ans Tageslicht.

Nur, in einem solchen Saal kann man eigentlich bloss noch eines tun: über den Faschismus und seine verheerenden Folgen informieren. Aber für Veranstaltungen im Rahmen der Leichtathletik-EM taugt der Mussolini-Saal nicht.

Rendez-vous, 7.6.2024, 12:30 Uhr;kobt

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