Fast jeder Auftritt von Jair Bolsonaro endet mit Pathos. «Brasilien über alles!», hiess es auch diese Woche wieder, als der ehemalige Hauptmann der Armee eines seiner Wahlkampfversprechen einlöste und die Bestimmungen für den Waffenbesitz lockerte.
Zugelassen sind pro Person neu vier Handfeuerwaffen. Wer unbescholten ist und über 25 Jahre alt, kann sie zu Hause oder am Arbeitsplatz zur persönlichen Verteidigung einsetzen.
Brasilien ist weltweit eines der gewalttätigsten Länder. Jedes Jahr sterben über 60'000 Menschen bei kriminellen Aktionen. Man könne den Leuten nicht verbieten, sich mit einer eigenen Waffe zu schützen, sagte Bolsonaro bei der Unterzeichnung des entsprechenden Dekretes.
Blutzoll wird steigen, sagen Kriminologen
2005 hatten zwei Drittel der Brasilianer in einem Referendum dagegen votiert, den Waffenverkauf an Private ganz zu verbieten. Sich eine Pistole anzuschaffen blieb allerdings ein Spiessrutenlauf durch die Bürokratie – und Bolsonaro will das ändern.
Der Präsident selbst ist ein Waffennarr und zeigt sich überzeugt, mit liberalen Waffengesetzen lasse sich die Kriminalitätswelle stoppen. Kriminologen hingegen warnen davor, dass der Blutzoll noch deutlich höher ausfallen werde, wenn mehr Waffen in Umlauf seien.
Ein Geschenk an die Grossgrundbesitzer
Schnell hat Bolsonaro auch die Agrarlobby zufriedengestellt. Sie war im Wahlkampf seine wichtigste Unterstützergruppe. Der Regenwald im Amazonasbecken wird zum Teil dem Profitstreben der Bauern geopfert.
Die Indianerschutzbehörde lässt Bolsonaro in der Bedeutungslosigkeit versinken; sie hat so gut wie nichts mehr zu sagen. Für die Demarkation von Schutzgebieten ist neu ausgerechnet das Landwirtschaftsministerium zuständig. Damit erfüllt sich ein alter Wunsch der Grossgrundbesitzer, denen die bislang unantastbaren Schutzgebiete seit langem ein Dorn im Auge sind.
Konkret heisst das, dass Rodungsfeuer in Schutzgebieten mit der intaktesten Vegetation lodern werden. Also dort, wo die Indigenen den Dschungel gegen Eindringlinge verteidigt hatten. Eigentlich müssten gerade die Bauern wissen, dass sie mit der Expansion auf dem Holzweg sind: Das Niederbrennen grosser Urwaldflächen beeinträchtigt längst auch das Klima in Brasilien selbst. Die Dürreperioden, verbunden mit dem Verdorren ganzer Ernten, häufen sich.
Verlegung der Botschaft nach US-Vorbild
Massgeblich beteiligt am Sieg Bolsonaros sind die Fundamentalisten evangelikaler Freikirchen. Bolsonaro hat sie mit einem Versprechen entschädigt, das er dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu gegeben hat: Brasilien werde dem US-Beispiel folgen und seine Botschaft in Israel ins geteilte Jerusalem verlegen. Es gibt damit seine besonnene Haltung auf, soweit es um die Zweistaatenlösung mit Palästina geht.
Das wird jedoch nicht ohne Folgen bleiben. Brasilien ist in der muslimischen Welt der bedeutendste Versorger mit Rindfleisch. Ein Milliardengeschäft steht auf der Kippe. Ein grosses Land wie Ägypten signalisiert bereits, Rindfleisch gebe es auch anderswo zu kaufen als in Brasilien.