Im Mai hat die «Rundschau» mit Videoaufnahmen dokumentiert, wie Kroatien an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina Migranten über die EU-Aussengrenze abschiebt. Diese Praxis der sogenannten Push-Backs ist nach internationalem Recht illegal:
Diese Woche hat die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović gegenüber SRF Berichte von Nichtregierungsorganisationen und der «Rundschau» über das harte Vorgehen der Polizei an der EU-Aussengrenze gerechtfertigt:
«Illegale Push-Backs? Weshalb denken Sie, dass sie illegal sind. Wir reden über illegale Migranten, Leute, die illegal nach Kroatien kommen wollen. Die Polizei schickt sie zurück nach Bosnien-Herzegowina.»
8500 Migranten vor der Grenze
An der EU-Aussengrenze von Kroatien zu Bosnien-Herzegowina warten derzeit rund 8500 Migranten darauf, irgendwie in die EU zu kommen. Die lokalen Behörden sind mit ihren Möglichkeiten am Anschlag.
Aktivisten aus der Region haben aktuelle Bilder und Videos in sozialen Medien publiziert. Sie zeigen, wie bosnische Polizisten Flüchtlinge im Gänsemarsch aus dem Stadtzentrum von Bihać in ein Camp führen.
Neven Crvenković von der UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR in Sarajevo hat in den vergangenen Wochen die Lage an der EU-Aussengrenze ungewohnt scharf kritisiert:
«Wegen seinem noch immer recht fragilen Asylsystem braucht Bosnien noch immer die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft inklusive der Schweiz, um einen angemessenen und effizienteren Umgang mit dieser neuen Herausforderung zu finden.»
Die Migranten kommen aus dem Südosten über Serbien und Montenegro ins Land. Dort geraten sie zwischen die Fronten, denn die Republika Srpska will keine Flüchtlinge auf ihrem Gebiet.
Damit spitzt sich die Situation innerhalb der bosnisch-kroatischen Föderation zu, vor allem in der Industriestadt Tuzla im Osten – und der Grenzstadt Bihać im Westen, an der praktisch dichten Grenze zu Kroatien.
Die lokalen Behörden in Bosnien-Herzegowina haben die Migranten unterdessen auf einer ehemaligen Mülldeponie untergebracht. Sie stehen unter Druck der eigenen Bevölkerung – und unter Beobachtung internationaler Aktivisten.
Unterstützung der Schweiz gefordert
Für die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) zeigen diese Bilder die humanitäre Katastrophe an der EU-Aussengrenze. Die Schweiz trage diese Abschottungspolitik mit, erklärt Eliane Engeler, Mediensprecherin der SFH:
«Wir fordern, dass die Schweiz sich nicht hinter dem Fehlen einer gesamteuropäischen Lösung versteckt, sondern sich beteiligt, Lösungen zu suchen für die Schutzsuchenden, die vor den Toren Europas in prekären Situationen warten.»
SEM betont Migrationspartnerschaft
«Die Situation in Bosnien scheint in der Tat besorgniserregend», sagt dazu Lukas Rieder, Mediensprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM). Die Schweiz setze weiterhin auf Kooperation mit der EU und den Behörden in Bosnien. Die Migrationsbehörden stünden vor grossen Herausforderungen und hier wolle die Schweiz ansetzen:
«Wir stehen im regelmässigen Kontakt mit Bosnien und versuchen im Rahmen unserer Migrationspartnerschaft überall dort, wo möglich, die Rechte der Migranten, besser zu schützen.»
Die prekäre Situation der aufgelaufenen Migranten bei Bihać an der EU-Aussengrenze ist jetzt auch Thema beim nächsten Migrationsdialog des SEM mit den Behörden in Sarajevo.