«Rishi Sunak ist ein netter Mensch, aber ein unfähiger Politiker.» Harte Worte von Tim Montgomerie, einst Redenschreiber von zwei früheren konservativen Parteichefs, William Hague und Iain Duncan Smith. Montgomerie sagt laut, was andere nur hinter vorgehaltener Hand aussprechen – dass mit Rishi Sunak keine Wahlen zu gewinnen seien. Mehrere Sunak-Kritiker suchen bereits unverhohlen nach Verbündeten, um den Premierminister durch eine fähigere Person zu ersetzen. Nur so liesse sich die sich abzeichnende krachende Niederlage bei den Parlamentswahlen noch abwenden, glauben sie.
Seit Tagen wird ein Name hoch gehandelt: Penny Mordaunt, die Präsidentin des britischen Unterhauses. Mordaunt solle als Übergangspremierministerin die Tories in die Wahlen führen. Die «Rishi-muss-weg-Bewegung» nimmt offenbar so sehr Fahrt auf, dass die genannte Ersatzfrau, Penny Mordaunt, gestern die Dynamik zu bremsen versuchte: «Ich lasse mich nicht in Nummer 10 [der Amtssitz des Premiers] installieren wie ein neuer Boiler.»
Der unbeliebte Premierminister
Für Rishi Sunak läuft es ziemlich schlecht. Die Sitzverluste bei den Lokalwahlen hatten sich abgezeichnet. Um den Schaden zu begrenzen, versuchte Sunak konservativ Wählende bei Laune zu halten: Mit Steuersenkungen und mit der Ausschaffung von Asylsuchenden nach Ruanda. Allerdings ohne Erfolg: Die Steuersenkungen werden von der Inflation und den hohen Hypothekarzinsen mehr als aufgefressen. Und das Ruanda-Programm ist zwar kurz vor den Lokalwahlen vom Parlament in Westminister nach langem Ringen verabschiedet worden. Doch ob das Programm je zum Fliegen kommt, wird selbst von Konservativen bezweifelt.
Was Sunak auch tut, es macht ihn nicht beliebter: Seine Beliebtheitswerte sind auf 22 Prozent gesunken. In Umfragen geben 69 Prozent der Befragten an, sie hätten eine schlechte Meinung von Sunak. Und was den konservativen Abgeordneten, die um ihre Wiederwahl bangen, noch mehr Sorgen macht: Die Wählerschaft wendet sich ab. 56 Prozent all jener, die bei den letzten nationalen Wahlen konservativ wählten, geben heute an, sie hätten das Vertrauen verloren.
Ein neues Leben in Kalifornien?
Welche Optionen bleiben Rishi Sunak, um den elektoralen Totalschaden für seine Partei und für sich selbst abzuwenden?
Vorerst setzt Sunak aufs Prinzip Hoffnung: Er nimmt an, dass die Inflation in den nächsten Monaten weiter sinken wird und er dies im Wahlkampf als Erfolg verkaufen kann. Er hofft auch, dass die Wirtschaft bald wieder wachsen wird – um auch das als Erfolg hervorstreichen zu können. Und: Gelingt es, die Ausschaffungen nach Ruanda wirklich in Gang zu setzen, würde dies nationalkonservative Hardliner in seiner Partei besänftigen.
Doch: Bleibt die offene Frage, ob ihn seine konservativen Abgeordneten weitermachen lassen – oder ihn mit einem Misstrauensvotum aus dem Amt drängen wollen. Wie ernst es der «Rishi-muss-weg-Bewegung» ist, wird sich in der nächsten Woche zeigen, wenn die Abgeordneten wieder in Westminister zusammenkommen.
Sollte seine Fraktion eine Misstrauensabstimmung anzetteln, stünde Sunak vor der Wahl: die Vertrauenskrise aussitzen, in der Hoffnung, die Abstimmung zu überstehen. Oder: Er könnte die Flucht nach vorn ergreifen – das Parlament auflösen und Neuwahlen ausrufen.
Und als letzte Option bleibt ihm der sofortige Rücktritt und der Abschied aus der Politik. Als früherer Banker und Multimillionär hat er ausgesorgt. Er könnte sich eine Auszeit nehmen – in Kalifornien zum Beispiel, wo er eine Zweitwohnung besitzt.