Am frühen Abend entscheidet das britische Parlament, ob die Regierung bei der EU eine Verschiebung des Brexits beantragen soll.
Nach dem Willen von Premierministerin Theresa May müssen sich die Parlamentarier zwischen einer kurzen und einer langen Verzögerung des EU-Austritts entscheiden.
Die kurze Verzögerung bis zum 30. Juni kommt aber nur in Frage, wenn die Parlamentarier das Brexit-Abkommen mit der EU bis zum 20. März doch noch billigen – jenes Abkommen, das sie bereits zwei Mal abgelehnt haben.
Lehnen die Parlamentarier Mays Deal dann noch einmal ab, müssen sie sich auf eine lange Wartezeit einstellen – einschliesslich der Teilnahme Grossbritanniens an der Europawahl (23. bis 26. Mai).
Diesen Ablauf will May am Abend von den Abgeordneten durch ihre Beschlussvorlage absegnen lassen. Doch sie muss damit rechnen, dass die Abgeordneten den Text abändern und am Ende einen ganz anderen Beschluss verabschieden.
Das sind die vier Änderungsanträge
1. Zweites Referendum: Die sogenannte Unabhängige Gruppe (ehemalige Labour- und Tory-Abgeordnete) will eine Verschiebung, um ein zweites Referendum zu organisieren. Dabei soll zwischen einem Brexit nach Vorgabe des Parlaments und einem Verbleib in der EU abgestimmt werden.
Wenn der Änderungsantrag akzeptiert wird, fällt eine Abstimmung über den hier folgenden zweiten und dritten Antrag aus.Alternative zum Brexit-
2. Alternative zum Brexit-Abkommen: Eine überparteiliche Gruppe EU-freundlicher Parlamentarier fordert eine Verschiebung des Brexits, um das weitere Vorgehen auszuloten. Dafür soll am kommenden Mittwoch der Parlamentskalender freigeräumt werden, um ein Gesetzgebungsverfahren durchzupeitschen. Hier dürfte es auf sogenannte Fingerzeig-Abstimmungen hinauslaufen, bei denen ausgelotet werden soll, für welche Alternative zum Brexit-Abkommen es eine Mehrheit gibt.
Zu diesem Antrag wurde ein zusätzlicher Änderungsantrag angenommen, über den wohl auch abgestimmt werden muss. Kommt dieser Antrag durch, fällt eine Abstimmung über die beiden hier folgenden Anträge aus.
3. Mehr Zeit für das Parlament: Die Labour-Spitze will eine Verschiebung des Brexits, um dem Parlament mehr Zeit zu geben, das weitere Vorgehen auszuloten.
Auch dieser Antrag läuft wohl auf die Forderung nach sogenannten Fingerzeig-Abstimmungen hinaus. Dabei könnte das Parlament über Alternativen zu Mays Brexit-Abkommen abstimmen – beispielsweise über einen Brexit mit engerer Bindung an die EU oder ein zweites Referendum.
4. Keine Abstimmungen mehr: Der überparteiliche Antrag soll weitere Abstimmungen über Mays Brexit-Deal ausschliessen.
Falls das britische Parlament für eine Verschiebung des Brexits stimmt, müssen auch dem auch noch die anderen 27 EU-Staaten zustimmen.
Tusk wirbt für lange Verschiebung
In die Diskussion um das Brexit-Datum schaltet sich auch EU-Ratspräsident Donald Tusk ein. Er schreibt auf Twitter, er wolle in der EU für einen längeren Aufschub des Brexit werben – falls Grossbritannien dies für nötig halte und sich darüber einig sei.
Tusk ruft die Staats- und Regierungschefs der EU dazu auf, offen zu sein für eine lange Verschiebung – sollte das Vereinigte Königreich diese Zeit brauchen, um sich auf eine gemeinsame Strategie zu einigen.
Tusk und Jucker uneinig
Tusk widerspricht damit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Dieser sprach sich wegen den EU-Parlamentswahlen lediglich für eine Verschiebung bis zum 23. Mai aus.
Zwischen den Präsidenten der beiden wichtigsten europäischen Institutionen gibt es offensichtlich keine Einigkeit.