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Indien: «Smog-Saison» startet früher als erwartet
Aus Echo der Zeit vom 24.10.2023. Bild: AP Photo/Manish Swarup
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Luftverschmutzung in Mumbai Smog in Mumbai: Gesundheitsrisiken steigen drastisch

Die indische Wirtschaftsmetropole wird früher als sonst von giftiger Luft geplagt – die Belastung war zeitweise sogar höher als in der Smog-Hauptstadt Delhi. Mediziner und Wissenschaftlerinnen läuten die Alarmglocken, doch die Stadt reagiert nur langsam.

Ein Spital im Zentrum Mumbais. Eine Krankenschwester demonstriert, wie der Lungenfunktionstest abläuft: Tief einatmen – lange ausatmen. Ranjana Bandwagawni, eine korpulente ältere Frau, hört aufmerksam zu. Gleich ist sie dran. Nach zwei Wochen mit extrem schlechter Luft in Mumbai hat sie Atemprobleme.  

Eine indische Patientin bespricht ihren Fall mit einer Ärztin in Mumbai.
Legende: Die 66-jährige Ranjana Bandwagawni hat das Gefühl zu ersticken, seit die Luft so schlecht geworden ist. SRF / Maren Peters

«Ich bin kurzatmig und habe oft das Gefühl zu ersticken», sagt die 66-Jährige. Entkommen kann sie der schlechten Luft nicht: Dort, wo sie wohnt, ist es eng und voll. Es gibt keinen Luftreiniger, wie in vielen Mittelklassewohnungen, nicht einmal einen Ventilator.

Wir haben viele Patientinnen und Patienten, die jetzt in die Notaufnahme kommen.
Autor: Lancelot Pinto Lungenarzt in Mumbai

Lungenarzt Dr. Lancelot Pinto kommt das alles bekannt vor. Sein Wartezimmer im Hinduja-Spital ist in diesen Tagen deutlich voller als sonst.  

«Wir haben viele Patientinnen und Patienten, die in den letzten Monaten stabil waren, und jetzt in die Notaufnahme kommen: kurzatmig, keuchend, hustend», sagt Pinto. Er gebe ihnen Steroide, um die Immunabwehr zu unterdrücken – eine Reaktion des Körpers auf die schlechte Luft.

Portrait von Dr. Lancelot Pinto, Lungenarzt am Hinduja-Spital in Mumbai, in einem Spitalkorridor.
Legende: Dr. Lancelot Pinto, Lungenarzt am Hinduja-Spital in Mumbai, hat seit der Smog-Attacke deutlich mehr Patienten in der Praxis. SRF/Maren Peters

Besonders gefährdet seien Kinder, weil ihre Lunge noch wachse, sagt Pinto. «Es glaubt wohl niemand, dass es keinen Einfluss auf die langfristige Gesundheit von Kindern hat, wenn sie den ganzen Tag giftige Luft einatmen.»

Verschiedene Faktoren verschlimmern die Lage

Wissenschaftler haben in einigen Quartieren Mumbais in den vergangenen Tagen eine Luftqualität gemessen, die die WHO als «sehr schlecht» bezeichnet.  

Smog in Mumbai nach dem Ende der Regenzeit sei zwar normal, sagt Professor Gufran Beig aus Bangalore, der bekannteste Experte für Luftmessung in Indien. Der Wind vom Meer flaue ab und giftige Luftpartikel könnten nicht, wie üblich, weggeblasen werden, sondern blieben über der Stadt hängen. Aber in diesem Jahr kämen neue Faktoren hinzu: Wegen intensiver Bauarbeiten seien zum Beispiel viel mehr giftige Staubpartikel in der Luft als in den Vorjahren.

In der Wirtschaftsmetropole gibt es nach Angaben der Stadtverwaltung derzeit 6000 Bauprojekte – doppelt so viele wie im Vorjahr. So werden derzeit unter anderem eine U-Bahn, eine kilometerlange, mehrspurige Umgehungsstrasse und eine Schnellbahn gebaut, dazu viele neue Hochhäuser. Als weitere wichtige Quellen für Smog gelten Strassenstaub als Folge des dichten Verkehrs, offene Kehrichtverbrennungen und Industrieabgase.  

Beig erwartet, dass sich die Smog-Lage in den nächsten Wochen aufgrund der Wetterverhältnisse im Winter weiter verschlechtert, falls die Stadtverwaltung nicht energisch gegensteuert.

Schutzmassnahmen gegen Smog

Box aufklappen Box zuklappen

Nach massiver Kritik an ihrer laxen Haltung gegenüber Smog hat die Stadtverwaltung von Mumbai nun Ad-hoc-Massnahmen angeordnet. Um Baustellen herum sollen hohe Metallbleche installiert werden, als Staubschutz, zudem wird eine Abdeckung aus Jute- oder Zeltplanen zum Einsatz angeordnet. Ab Mitte Dezember sollen auch 30 Anti-Smog-Kanonen zum Einsatz kommen. Sie sprühen Wassernebel in die Luft, mit dem Ziel, giftige Luftpartikel zu binden. In Delhi sind sie schon länger im Einsatz. Namhafte indische Experten bezweifeln die Wirksamkeit solcher Massnahmen und mahnen, stattdessen die Ursachen für die schlechte Luft einzudämmen.

Die Stadtverwaltung von Mumbai hatte schon vor sieben Monaten einen langen Massnahmenkatalog gegen Smog veröffentlicht («Air Pollution Mitigation Plan»). Aber sie macht keine Angaben dazu, ob jemals Massnahmen bei Verstössen gegen diese Vorschriften ergriffen wurden. Kritische Stimmen werten das als schlechtes Zeichen.

«Es gibt genug Vorschriften, um die Luftverschmutzung einzudämmen», sagt Beig. So seien zum Beispiel Staubfänger bei Hausbauten vorgeschrieben und Sprinkler, um den giftigen Staub an Baustellen zu binden. «Diese Vorschriften werden aber nicht eingehalten.»

Mächtige Baulobby als Bremsklotz

Erst ist in den letzten Tagen, nach intensiver Medienberichterstattung, und vielen öffentlichen Appellen von Experten wie Lungenarzt Pinto und Luftexperte Beig, hat die Stadtbehörde Gegenmassnahmen angekündigt. Ob sie diese gegen den Widerstand der mächtigen Baulobby durchsetzen kann, ist eine offene Frage in Mumbai. Denn mehr Schutzmassnahmen kosten mehr Geld.

Echo der Zeit, 24.10.2023, 18 Uhr

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