Ein Spital im Zentrum Mumbais. Eine Krankenschwester demonstriert, wie der Lungenfunktionstest abläuft: Tief einatmen – lange ausatmen. Ranjana Bandwagawni, eine korpulente ältere Frau, hört aufmerksam zu. Gleich ist sie dran. Nach zwei Wochen mit extrem schlechter Luft in Mumbai hat sie Atemprobleme.
«Ich bin kurzatmig und habe oft das Gefühl zu ersticken», sagt die 66-Jährige. Entkommen kann sie der schlechten Luft nicht: Dort, wo sie wohnt, ist es eng und voll. Es gibt keinen Luftreiniger, wie in vielen Mittelklassewohnungen, nicht einmal einen Ventilator.
Wir haben viele Patientinnen und Patienten, die jetzt in die Notaufnahme kommen.
Lungenarzt Dr. Lancelot Pinto kommt das alles bekannt vor. Sein Wartezimmer im Hinduja-Spital ist in diesen Tagen deutlich voller als sonst.
«Wir haben viele Patientinnen und Patienten, die in den letzten Monaten stabil waren, und jetzt in die Notaufnahme kommen: kurzatmig, keuchend, hustend», sagt Pinto. Er gebe ihnen Steroide, um die Immunabwehr zu unterdrücken – eine Reaktion des Körpers auf die schlechte Luft.
Besonders gefährdet seien Kinder, weil ihre Lunge noch wachse, sagt Pinto. «Es glaubt wohl niemand, dass es keinen Einfluss auf die langfristige Gesundheit von Kindern hat, wenn sie den ganzen Tag giftige Luft einatmen.»
Verschiedene Faktoren verschlimmern die Lage
Wissenschaftler haben in einigen Quartieren Mumbais in den vergangenen Tagen eine Luftqualität gemessen, die die WHO als «sehr schlecht» bezeichnet.
Smog in Mumbai nach dem Ende der Regenzeit sei zwar normal, sagt Professor Gufran Beig aus Bangalore, der bekannteste Experte für Luftmessung in Indien. Der Wind vom Meer flaue ab und giftige Luftpartikel könnten nicht, wie üblich, weggeblasen werden, sondern blieben über der Stadt hängen. Aber in diesem Jahr kämen neue Faktoren hinzu: Wegen intensiver Bauarbeiten seien zum Beispiel viel mehr giftige Staubpartikel in der Luft als in den Vorjahren.
In der Wirtschaftsmetropole gibt es nach Angaben der Stadtverwaltung derzeit 6000 Bauprojekte – doppelt so viele wie im Vorjahr. So werden derzeit unter anderem eine U-Bahn, eine kilometerlange, mehrspurige Umgehungsstrasse und eine Schnellbahn gebaut, dazu viele neue Hochhäuser. Als weitere wichtige Quellen für Smog gelten Strassenstaub als Folge des dichten Verkehrs, offene Kehrichtverbrennungen und Industrieabgase.
Beig erwartet, dass sich die Smog-Lage in den nächsten Wochen aufgrund der Wetterverhältnisse im Winter weiter verschlechtert, falls die Stadtverwaltung nicht energisch gegensteuert.
«Es gibt genug Vorschriften, um die Luftverschmutzung einzudämmen», sagt Beig. So seien zum Beispiel Staubfänger bei Hausbauten vorgeschrieben und Sprinkler, um den giftigen Staub an Baustellen zu binden. «Diese Vorschriften werden aber nicht eingehalten.»
Mächtige Baulobby als Bremsklotz
Erst ist in den letzten Tagen, nach intensiver Medienberichterstattung, und vielen öffentlichen Appellen von Experten wie Lungenarzt Pinto und Luftexperte Beig, hat die Stadtbehörde Gegenmassnahmen angekündigt. Ob sie diese gegen den Widerstand der mächtigen Baulobby durchsetzen kann, ist eine offene Frage in Mumbai. Denn mehr Schutzmassnahmen kosten mehr Geld.