Im Talkessel von Chiang Mai hängt der Smog dicht und grau. Vom Doi Suthep, dem berühmten Hausberg der Stadt, den viele wegen der schönen Aussicht besuchen, sieht man nichts. Nur eine weisse Wand. In der Luft liegt ein Hauch von Lagerfeuer. Ein Besuch im Norden von Thailand während der sogenannten «Saison der Brände» hat apokalyptische Züge.
Vor der historischen Mauer in der Altstadt machen die wenigen Touristinnen und Touristen trotzdem Fotos. Unter ihnen ist Pawarisa Aintaknuean aus der Nachbarstadt Chiang Rai. «Mein Körper absorbiert diese verschmutzte Luft, die Augen brennen und meine Nase läuft», sagt die 18-jährige Thailänderin. «Da bleibe ich nächstes Mal besser zu Hause.» Viele haben die letzten Covid-Masken wieder ausgegraben. Auch Jia Junjie aus China: «Wenn ich mir die Situation hier anschaue, dann ist die Luft hier in Chiang Mai schlechter als in den Städten in China.»
Der Index zur Luftqualität steigt in Chiang Mai in diesen Tagen bis auf 200. Das ist zwanzigmal mehr als die empfohlene Richtlinie der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Mit schlimmen Folgen: Im Jahr 2023 haben sich laut dem nationalen Büro für soziale und wirtschaftliche Entwicklung zehn Millionen Menschen wegen Krankheiten, die mit der Luftverschmutzung in Verbindung stehen, ärztlich behandeln lassen.
Die «Saison der Brände» in Thailand
Die «Saison der Brände», auf Englisch «Burning Season», ist bereits gängiger Wortschatz in Thailand. Zwischen Februar und April brennen in der ganzen Mekong-Region Felder und Wälder, und der Rauch sammelt sich in Städten wie Chiang Mai. «Die Luft ist toxisch, das passiert jedes Jahr», sagt Aran Noyha, Tourist aus Bangkok. «Das ist unvermeidbar, weil die Bauern ihr Land abbrennen.»
Im Umland von Chiang Mai sind die Hügel braun und kahl. Die Strasse schlängelt sich über die Ausläufer des Doi Inthanon, des höchsten Bergs in Thailand, hinab zwischen Wäldern und durch Talsohlen mit Reisfeldern. Da, wo das Land nicht flach genug für den Reisanbau ist, stehen Maisstauden.
Auch Bauer Preeda Sarenja baut auf einer Hektare Mais an. Der 49-Jährige stapft durch seine abgeernteten Stauden. In den vergangenen Jahren hat er sein Feld jeweils abgebrannt. Dieses Jahr ist das verboten: Die Luftqualität ist zu schlecht. Er hat sich bis jetzt an das Verbot gehalten – viele andere tun dies nicht.
«Wir bauen Mais an, weil er resistent ist», sagt er. Preeda kann den Mais bereits nach vier Monaten ernten. Er pflanzt auch Kürbis an, und er hat ein Wäldchen mit Teakbäumen. Doch Mais ist am lukrativsten – obwohl er auch damit zurzeit kaum Profit macht. «Wir Bauern müssen uns ernähren können», sagt er, «im Moment sind die Preise viel zu tief.»
Preeda zeigt uns, wie er mit einer Machete die Stauden von Hand abhackt, eine mühsame und anstrengende Arbeit. Einen Mähdrescher kann er sich nicht leisten. Ein abgeerntetes Maisfeld abzubrennen, sei effizient und gut für die nächste Ernte. «Man kann nicht einfach die Menschen auf dem Land für die Verschmutzung verantwortlich machen», sagt er.
Thailand hat im letzten Jahrzehnt den Anbau von landwirtschaftlichen Produkten wie Futtermais stark gefördert, bis hinauf auf die höchsten Hügel. Aus dem Mais entsteht Futter für Hühner und Schweine. Die Agrarunternehmen zahlen tiefe Preise und haben kein grosses Interesse an einer umweltverträglichen Produktion. Im Landkreis Mae Cham, wo auch das Maisfeld von Bauer Preeda steht, verbrennen nach Schätzungen bis zu 80 Prozent der Bauern ihre Stauden. Das Problem existiert in ganz Thailand - auch beim Zuckerrohr- und Reisanbau.
Hohe Luftverschmutzung durch Brände, Verkehr und Industrie
Neben Bränden verpesten auch der Verkehr in Bangkok und die Industrie im Zentrum von Thailand die Luft. In den Monaten Februar bis April, vor der Regensaison, bleibt die toxische Luft wegen spezifischen klimatischen Bedingungen hängen.
«Bauen wir mehr an, verbrennen wir auch mehr», sagt Siwaporn Rungsiyanon. Sie ist Luftexpertin beim Departement für Verschmutzungskontrolle in der Hauptstadt Bangkok. Siwaporn beobachtet die Luftwerte täglich und berät die Regierung. Auf grossen Bildschirmen zeigen Pfeile die Windrichtungen an. Rote Punkte stehen für aktuelle Brandherde. «Die schlimmste Ursache sind die offenen Brände, aber die haben mit Wirtschaft, Kultur, Glauben und dem alltäglichen Leben zu tun und sind schwierig zu ändern.»
In den letzten Jahren ist eine nationale Diskussion zum Thema entbrannt. Das Parlament diskutiert zurzeit sieben verschiedene Gesetzesentwürfe zur Luftverschmutzung. Daraus soll ein neues Gesetz über saubere Luft entstehen.
Viele Vorschläge, mangelnde Umsetzung
Ein Vorschlag stammt vom Thailand Clean Air Network. Eine Gruppe aus der Zivilgesellschaft rund um Weenarin Lulitanonda wollen das Problem damit nachhaltig lösen. «Wir haben hier so etwas wie ein Haus, das auf wackligem Fundament steht», sagt sie. Momentan schlügen alle einfach einzelne Lösungen – zum Beispiel Elektrobusse in Bangkok – vor, ohne die Situation ganzheitlich zu betrachten.
Wir brauchen eine Gesellschaft, die sich kümmert, und zwar nicht nur an Tagen, an denen die Luft so schlecht ist wie heute.
Ihr Entwurf schlägt vor, dass das Recht der Thailänderinnen und Thailänder auf saubere Luft im Gesetz verankert wird. Zudem solle die Gesellschaft in die Lösungen eingebunden werden. «Das fehlt heute in Thailand», sagt sie. «Wir brauchen eine Gesellschaft, die sich kümmert, und zwar nicht nur an Tagen, an denen die Luft so schlecht ist wie heute.»
Die schlimmste Ursache sind die offenen Brände, aber die haben mit Wirtschaft, Kultur, Glauben und dem alltäglichen Leben zu tun und sind schwierig zu ändern.
Gesetze, um die Luftverschmutzung zu regulieren, hat Thailand heute eigentlich schon genug. Es fehlt eher an der Umsetzung der Massnahmen. Ob das neue Gesetz zur Luftqualität, das im Herbst verabschiedet werden soll, daran etwas ändert, wird sich zeigen.
Das Problem hört nicht an der thailändischen Grenze auf
Der Anbau von Mais ist auch in den Nachbarländern Myanmar, Kambodscha und Laos beliebt. Dort ist das Abbrennen noch einfacher. Als Antwort auf die Frage, woher der Smog kommt, zeigen die Bauern im Landeskreis Mae Chaem alle mit dem Finger nach Myanmar. Je nach Windrichtung verteile er sich anders.
Premierminister Srettha Thavisin hat im März Chiang Mai besucht und Massnahmen angekündigt: Unter anderem soll auch der Import von Mais aus Ländern, wo Felder abgebrannt werden, bald verboten werden.
Im Hinterland von Chiang Mai baut Bauer Preeda auf seinem Land an, was in den Städten gebraucht wird. Dabei macht er kaum Profit. Er findet die Schuldzuweisungen unfair.
Es sind auch nicht nur die Bauern, die für die Brände verantwortlich sind. Auf der Rückfahrt aus dem Landkreis Mae Chaem brennt plötzlich der Wald am Strassenrand. Auch solche Waldbrände sind zu dieser Jahreszeit eine Ursache für die Verschmutzung.
Die Luftverschmutzung in Thailand hat viele Ursachen
Im Rauch kämpfen dunkle Silhouetten gegen das Feuer, das sich mit dem Wind ausbreitet. Einer, der die Flammen zu bekämpfen versucht, ist Boonchoo Rakdee. Er hat ein Tuch um den Kopf gewickelt, um sich vor den Flammen zu schützen. «Dieser Waldbrand wurde extra gelegt von Leuten, die im Wald nach Pilzen und Gemüse suchen», sagt er. Die Menschen in Norden von Thailand glauben, dass ein Waldbrand das Wachstum von wilden Pilzen und Gemüse begünstigt. Die Produkte erzielen auf dem Markt hohe Preise.
Maisanbau, Waldbrände, Industrie und Verkehr: Die Luftverschmutzung in Thailand hat viele Ursachen. Die gesundheitlichen Folgen sind gravierend. Und auch die Folgen für den Tourismus, der rund ein Fünftel zur thailändischen Wirtschaft beiträg
Schon heute sind die Strassen von Chiang Mai vergleichsweise leer und die wenigen Touristinnen und Touristen überlegen sich, ob sie überhaupt wiederkommen sollen: «Bevor du hier bist, hast du keine Ahnung, wie schlimm es ist», sagt Romy Stuik, Touristin aus den Niederlanden. Sie habe brennende Augen und es sei stärker als erwartet: «In der Zukunft schaue ich mir das vorher an und plane meine Reise anders.»