Der als gemässigt geltende bisherige Parteichef der AfD, Jörg Meuthen, ist vor gut einer Woche zurückgetreten. Inzwischen ist er auch aus der rechtspopulistischen Partei ausgetreten.
Er habe den Machtkampf gegen den rechtsextremen Flügel verloren; die AfD sei ihm zu rechts geworden, begründet Meuthen den Parteiaustritt. Der Politologe Eric Linhart sieht das etwas differenzierter.
SRF News: Wird die AfD nach Meuthens Rücktritt jetzt definitiv zur rechtsextremen Partei?
Eric Linhart: «Der Flügel» innerhalb der AfD war ja schon immer rechtsextrem – deshalb ist es bloss eine Frage der Zeit, bis die gesamte AfD vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet werden wird. Die Gruppe um Meuthen war in letzter Zeit ohnehin in der Minderheit, sodass es konsequent ist, dass er die Partei jetzt verlässt.
Meuthen hat sich in den letzten Tagen so dargestellt, als ob er der letzte in der AfD gewesen sei, der noch für Rechtsstaatlichkeit einstand. Stimmt das?
Es gibt in der AfD durchaus noch einige Personen, welche dieselben Positionen wie Meuthen vertreten. Ausserdem trifft auch auf Meuthen das Label «gemässigt» nur bedingt zu. So hatte beispielsweise der Gründer der AfD, Bernd Lucke, wirklich gemässigte Positionen vertreten, wogegen Meuthen ganz anders politisiert hat.
Meuthen stellte sich lange gut mit dem rechtsextremen ‹Flügel› – um seine Machtbasis zu stärken.
Meuthen stellte sich lange Zeit gut mit dem rechtsextremen «Flügel», um seine Machtbasis zu stärken. Erst, als er feststellte, dass das seiner weiteren Karriere nicht zuträglich ist, schlug er einen anderen Weg ein. Deshalb ist die Behauptung, er grenze sich aus inhaltlichen Gründen von der AfD ab, wenig überzeugend.
Nichtsdestotrotz sagt Meuthen, die AfD sei ihm zu rechts geworden. Stellen Sie als Politologe einen solchen Rechtsruck der AfD ebenfalls fest?
Nur bedingt. Denn die Leute, die im offiziell 2020 aufgelösten «Flügel» unterwegs waren, sind jetzt wieder normale AfD-Mitglieder, vertreten aber immer noch dieselben rechtsextremen, völkischen Positionen wie vor zwei, drei Jahren. Und damals arbeitete Meuthen mit ihnen zusammen.
Die Leute des ‹Flügels› vertreten immer noch dieselben Positionen.
Als Gesamtpartei ist die AfD deshalb vielleicht tatsächlich etwas nach rechts gerückt, weil sich die Leute aus dem «Flügel» jetzt etwas stärker durchsetzen können.
Welcher Teil der AfD vertritt die Wählerinnen und Wähler eher: der gemässigte Teil oder der rechtsextreme mit den ehemaligen Mitgliedern des «Flügels»?
Das ist je nach Bundesland unterschiedlich. In Sachsen etwa vertritt praktisch die gesamte AfD ziemlich einhellig den «Flügel». Hier weinen die Parteimitglieder – und die Wählerschaft – Meuthen wohl wenig Tränen nach.
In Sachsen weint die AfD Meuthen nur wenig Tränen nach.
In anderen Landesverbänden ist es schwieriger zu sagen, weil die Flügelkämpfe auch innerhalb der Landesverbände im Gang sind. Dort können beide Parteiflügel auf Wählerinnen und Wähler zählen.
Vor der letzten Bundestagswahl sagten Sie, das Wählerpotenzial der AfD sei mit rund zehn Prozent ausgeschöpft. Gilt das auch, wenn die AfD künftig rechtsextremer politisieren würde?
In diesem Fall würde ihr Wählerpotenzial bundesweit eher noch zurückgehen. Eine eindeutig rechtsextreme Partei würde in Deutschland vermutlich nicht auf zehn Prozent der Wählerstimmen kommen – auch wenn das in einzelnen Bundesländern durchaus etwas anders aussehen kann.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.