Der Bürgerkrieg im Jemen dauert bereits vier Jahre. Die humanitäre Lage ist katastrophal. Bis zu 14 Millionen Menschen sind von Hunger bedroht. Jetzt fordern die USA die Konfliktparteien zum Waffenstillstand auf und stellen den Kriegsparteien – Saudi-Arabien und die Huthi-Rebellen – ein Ultimatum. Guido Steinberg ist Experte für den Mittleren Osten. Für ihn ist klar: Die Trump-Administration will die in Verruf geratenen Saudis als Verbündete retten.
SRF News: Warum fordern die USA ausgerechnet jetzt einen Waffenstillstand?
Guido Steinberg: Diese Forderung der US-Regierung hat meines Erachtens sehr viel mit der Ermordung des oppositionellen saudischen Journalisten Khashoggi zu tun. Die US-Regierung möchte, wie es scheint, ihre Beziehungen zu Saudi-Arabien retten und versucht zu diesem Zweck, Zugeständnisse von Riad zu erzwingen.
Wie rettet man eine Beziehung, wenn man die eine Partei quasi ans Gängelband nimmt?
Die Saudis sind bereits am Gängelband, denn sie sind stark von den USA abhängig. Es geht für die US-Administration vor allem darum, Druck aus dem Kongress abzuwehren. Dort forderten beide Parteien – die Demokraten und die Republikaner – nach dem Fall Khashoggi Sanktionen. Die US-Regierung hat nur einige schwache Sanktionen gegen das Mordkommando verhängt. Das wird aber nicht reichen.
Das Kalkül der Trump-Administration ist jetzt, diesen Waffenstillstand zu fordern. Die Saudis werden dieser Forderung möglicherweise nachgeben. Dann kann die US-Regierung dem Kongress sagen, dass sie eine Verhaltensänderung der Saudis bei einem wichtigen Thema erwirkt hat und man sich damit zufrieden geben soll.
Ist diese Forderung denn mehr als ein Fingerzeig an die Adresse der Saudis?
Mit Sicherheit. Saudi-Arabien ist massiv abhängig von militärischer Unterstützung durch die Amerikaner: Sie betanken die saudischen Kampfflugzeuge in der Luft, sie liefern Waffen und Munition, sie sind für die Instandhaltung von militärischem Gerät verantwortlich. Deswegen müssen die Saudis auf solche Forderungen hören. Ich denke, dass wir in den nächsten Tagen einige Bewegung sehen werden. Die Saudis und die verbündeten Emirate werden auf die Forderungen der USA eingehen müssen – in welcher Form auch immer.
Umgekehrt sind aber auch die Amerikaner extrem abhängig von den Saudis in ihrer Nahost-Politik, konkret beim Kampf gegen den Iran.
Die USA haben sich abhängig gemacht. Saudi-Arabien ist der viel schwächere Partner und stark von der Sicherheitsgarantie der Amerikaner abhängig. Aber: Die Trump-Administration hat sich entschieden, eine anti-iranische Strategie zu fahren. Die Amerikaner haben schon früh klargemacht, dass sie für diese anti-iranische Politik auf Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate, vor allem aber auf Saudi-Arabien und dessen Kronprinzen Mohammed bin Salman setzen.
Die Saudis sind unter amerikanischem Druck. Sie werden sich dem nicht so einfach entziehen können.
Deswegen versuchen die Amerikaner im Moment auch, diese Beziehung zu retten. Sie fordern von den Saudis Zugeständnisse, damit sie gegenüber dem Kongress klarmachen können: Die Saudis haben Fehler eingestanden und reagieren auf unsere Forderungen. All das dient dem Ziel, die Saudis auf Linie gegen Iran zu halten.
Für einen Waffenstillstand braucht es immer zwei. Haben die Huthis überhaupt ein Interesse daran?
Ich denke schon. Sie haben mit einem grossen militärischen Problem zu kämpfen. Die Koalition, die von den Saudis angeführt wird, belagert im Moment die Hafenstadt Hudaydah. Die Stadt ist ungeheuer wichtig für die Versorgung der Gebiete im Nordjemen, die unter Kontrolle der Huthis stehen. Es kann also durchaus sein, dass sie positiv auf die Waffenstillstands-Forderung reagieren werden. Aus meiner Sicht wären sie auch gut beraten, diesen diplomatischen Vorteil zu nutzen. Die Saudis sind unter amerikanischem Druck. Sie werden sich dem nicht so einfach entziehen können. Also wäre es gut, wenn die Huthis verhandeln.
Das Gespräch führte Simon Leu.