Lange gab es von Matteo Messina Denaro nicht einmal ein Foto, sondern nur vage Phantombilder. Denn seit über 30 Jahren hatte man den Capo dei Capi, den Boss der Bosse der sizilianischen Cosa Nostra, nicht mehr gesehen. Oder besser gesagt: Man wollte ihn nicht sehen.
Denn der blutrünstige Mafioso lebte nicht versteckt in einem Erdloch, sondern unter den Leuten, dort, wo er mordete oder morden liess, wo er mit Drogen oder Waffen handelte oder Schutzgelder erpresste. Es gab Hunderte, wohl Tausende von Gelegenheiten, an denen man den Mafioso hätte sehen können; zum Beispiel, wenn er seinen Cappuccino trank, wenn er seine Freundinnen traf oder im Supermarkt shoppen ging.
Warnungen zum richtigen Zeitpunkt
Doch Messina Denaro verfügte über einen dichten Schleier des Schweigens, der ihn verbarg und schützte – die Omertà. Dazu gehörten hohe Polizeioffiziere, seine Wohnungsnachbarn, sein Arzt oder gar ein Senator. In Italien nennt man sie «talpe» (dt. Maulwürfe), die dem Mafiaboss stets zum richtigen Zeitpunkt ein Zeichen gaben und ihn warnten. Immer dann, wenn die Falle zuzuschnappen drohte, gelang es Messina Denaro, seinen Kopf doch noch einmal aus der Schlinge zu ziehen.
Die Falle schnappte erst zu, als Matteo Messina Denaro an Magenkrebs litt und sich in Palermo regelmässig behandeln lassen musste. Damals, im Januar dieses Jahres, gelang es der italienischen Polizei endlich, den Mafioso zu fassen. Nun, nur acht Monate später, ist er tot.
Ungesühnte Verbrechen
Damit bleiben zahlreiche Verbrechen, auch die schwersten, ungesühnt: Messina Denaro gab zusammen mit anderen Bossen den Auftrag, die beiden Mafia-Jäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino zu ermorden. Zwei Morde, die Anfang der 1990er-Jahre die italienische Republik erschütterten.
Nach dem Tod Messina Denaros muss man ernüchtert konstatieren: Das Netz des Schweigens, das den Mafioso umgab, war während Jahrzehnten enger geknüpft als jenes des italienischen Rechtsstaates.
Sicher, der italienische Staat hat im Kampf gegen die Mafia Erfolge errungen. In Palermo zum Beispiel hat der ehemalige Bürgermeister Leoluca Orlando die Cosa Nostra in den letzten Jahrzehnten zurückgedrängt. Doch die Mafia hat längst expandiert. Der Kampf gegen die Mafias wird längst nicht mehr nur in Süditalien ausgefochten und entschieden, sondern auch in Norditalien oder in anderen europäischen Ländern, auch in der Schweiz.