Der Vatikan hat zum ersten Mal einen Jahresbericht zum Schutz von Minderjährigen veröffentlicht. Es war Papst Franziskus selbst, der den Auftrag dazu erteilt hatte, um den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester wirksamer zu bekämpfen.
Der Bericht wurde im Vatikan mit Spannung erwartet. Aber weltweite Zahlen zu den registrierten Fällen, zu den Opfern, zu den Prozessen, sind darin nicht zu finden. Denn die römisch-katholischen Kirchen in vielen Ländern liefern noch immer kaum oder gar keine Daten zum Thema.
«Desinteressierte und überforderte Landeskirchen»
Der US-amerikanische Kardinal Sean O'Malley leitet die päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen. Bei der Präsentation des ersten Jahresberichts sagte er, der Kampf gegen den Missbrauch komme oft nur langsam voran. «Viele wollen ein schnelleres und entschiedeneres Eingreifen.»
Doch im Jahresbericht klaffen erhebliche Lücken. Zum Beispiel in Mexiko, also ausgerechnet in dem Land, in dem neben Brasilien die meisten Katholikinnen und Katholiken leben. Nur 20 Prozent der dort zum Thema Kinderschutz verteilten Fragebögen wurden überhaupt beantwortet. 80 Prozent blieben liegen.
Maud De Boer-Buquicchio ist Mitglied der Kinderschutzkommission. Sie sagt, dass man wegen desinteressierter oder überforderter Landeskirchen weiterhin keine globalen Daten zum Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche habe.
Diese Datenlücke will die von Papst Franziskus vor zehn Jahren eingesetzte Kommission schliessen. Sie will nun jedes Jahr 15 bis 20 Landeskirchen auf das Thema Schutz von Minderjährigen hin durchleuchten. Im nun veröffentlichten Bericht sind dies ausschliesslich Länder des globalen Südens: zum Beispiel Kolumbien, Ghana, Ruanda oder Sri Lanka.
Man habe für den ersten Bericht bewusst Länder ausgewählt, in denen das Wissen zum Thema gering sei. Ganz offensichtlich will die römisch-katholische Kirche damit Druck auf jene Landeskirchen aufbauen, die bisher wenig für den Schutz von Kindern und Jugendlichen unternommen haben.
Abkehr von der römisch-katholischen Kirche
Juan Carlos Cruz wurde als Kind selbst Opfer von sexuellen Übergriffen und ist heute Mitglied der päpstlichen Kommission: Der erste Jahresbericht sei ein wichtiger Schritt, der ihn mit Hoffnung erfülle. Ob das aber alle so sehen, ist zu bezweifeln. Vor allem in Europa und Nordamerika haben Millionen Gläubige, vor allem auch wegen der Missbrauchsskandale, die römisch-katholische Kirche verlassen.
Und Italien, das Land, das dem Vatikan am nächsten steht, hat noch immer keine Kommission eingesetzt, die Licht ins Dunkel der Missbräuche bringen soll. Damit gehört Italien wohl zu jenen Ländern, die die Kommission in einem ihrer nächsten Berichte durchleuchten müsste.