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Wen holt der siegreiche Rutte nun ins Boot?
Aus SRF 4 News aktuell vom 16.03.2017. Bild: Keystone
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Wahlen in den Niederlanden Mark Rutte steht vor einer kniffligen Aufgabe

Bis zur Regierungskoalition in den Niederlanden dürfte es dauern. Wen holt der zackige Premier und was tut nun Wilders?

Ministerpräsident Mark Rutte liegt bei den Wahlen in den Niederlanden mit seiner rechtsliberalen Partei mit 21 Prozent der Stimmen klar vorn. Deutlich abgeschlagen folgt Rechtspopulist Geert Wilders auf Platz zwei mit 13 Prozent der Stimmen. Einschätzungen zur neuen Ausgangslage von SRF-Korrespondentin Elsbeth Gugger in Amsterdam.

SRF News: Mark Rutte hat gewonnen, aber die Mehrheit im Parlament hat er nicht. Kann er dennoch weiterregieren?

Elsbeth Gugger: Das kann er. Die Niederlande sind ein Koalitionsland. Dass eine Partei die absolute Mehrheit erreicht, gibt es hier nicht. Rutte hat einen komfortablen Vorsprung von wahrscheinlich 13 Sitzen. Damit liegt die Initiative jetzt bei ihm. Er darf nun als Erstes versuchen, eine Koalition zu bilden.

Umfragen liessen ein besseres Resultat für Geert Wilders erwarten. Was sind die Gründe für sein schlechtes Abschneiden?

Zum einen war es wohl ein Fehler von Wilders, dass er seine Wahlkampagne hauptsächlich via Twitter geführt hat, nicht sichtbar war und nur an zwei von vielen Fernsehdebatten teilgenommen hat. Zum anderen haben ausländische Medien sehr viel über diese Wahlen berichtet. Vielerorts wurden sie als Schicksalswahlen bezeichnet, was viele Menschen aufhorchen liess. Wilders PVV als grösste Partei – soweit wollte man es dann doch nicht kommen lassen. Das war zu sehr ein Schreckensbild für die doch eher nüchternen und konsensorientierten Niederländerinnen und Niederländer. Die Wahlbeteiligung war denn auch höher als vor vier Jahren.

Wilders PVV als grösste Partei – soweit wollten es die Niederländer dann doch nicht kommen lassen.

Was bedeutet das Resultat für Wilders und seine Zukunft?

Rechtspopulismus verliert in den Niederlanden
Aus Tagesschau am Vorabend vom 16.03.2017.

Bis auf die Tatsache, dass seine Fraktion jetzt 20 statt wie bisher 15 Sitze umfasst, bedeutet das eigentlich gar nichts. Nach dem Debakel von 2010 wird sich Rutte hüten, Wilders an der Regierung zu beteiligen. Dies betonte er im Wahlkampf mehrmals. Wilders wird damit weiterhin auf der Oppositionsbank sitzen und versuchen, die an sich schon strenge Immigrations- und Asylpolitik weiter zu verschärfen. Selbstverständlich wird er auch weiterhin giftige Tweets in die Welt hinausschicken.

Vielbeachtet war im Wahlkampf der junge Linksgrüne Jesse Klaver. Haben die Grünen die Erwartungen erfüllt?

Mit zehn zusätzlichen Sitzen sind die Erwartungen sicher erfüllt worden. Klaver wird hier bereits als «Jessias» gefeiert. Es ist ein Glanzresultat. Offensichtlich ist es ihm geglückt, mit seiner auf Konsens gerichteten Kampagne viele der rund 800‘000 Jungen anzusprechen, die erstmals gewählt haben.

Der grüne Shooting Star Jesse «Jessias» Klaver konnte offensichtlich viele Erstwähler begeistern.

Für eine Regierungsbildung müssen nun viele Parteien zusammenspannen. Wir wird das gehen?

Das wird eine sehr knifflige Angelegenheit. Zählt man jetzt die Sitze von Ruttes Rechtsliberalen, den Christdemokraten und den linksliberalen Demokraten zusammen, kommt man auf 66. Für eine Mehrheit wären aber 76 Mandate nötig. Diese könnte Rutte zwar zusammen mit den Grünen erreichen. Zwischen den Programmen von Rechtsliberalen und Grünen liegen allerdings Welten.

Rutte ist ein sehr zackiger Politiker, der Probleme immer sehr schnell lösen will.

Rutte wird möglicherweise versuchen, die beiden christlichen Parteien oder die Alterspartei ins Boot zu holen. Rutte ist ein sehr zackiger Politiker, der Probleme immer sehr schnell lösen will. Ob er mit seinem unendlichen Elan auch so schnell eine Koalition schmieden kann, ist zu bezweifeln. Er wird in den nächsten Wochen und Monaten auf jeden Fall viel Geduld brauchen, damit er irgendwann nach dem Sommer seine neue Regierung vorstellen kann.

Das Gespräch führte Tina Herren.

Das sagt der Politologe und Niederlande-Spezialist Markus Wilp von der Uni Münster:

Als mögliche Regierungspartner kommen einem die Christdemokraten und die Sozialliberalen in den Sinn, allerdings bräuchte Rutte für eine Regierungsmehrheit noch einen weiteren Partner. Dies können die Grünen oder die kleinen christlichen Parteien sein. Ob die Gespräche, die Rutte nun sicherlich auch mit den Grünen führen wird, tatsächlich erfolgreich sein werden, wird sich allerdings erst noch zeigen. Auch wenn Rutte eine Einigung erzielt: Es könnte schwierig werden, dass eine vier- oder sogar fünf-Parteienregierung auch stabil genug ist, um vier Jahre durchregieren zu können. Nicht infrage kommt dagegen eine Regierungszusammenarbeit mit Geert Wilders.
Legende:
Wahlergebnisse aus den Niederlanden VVD: Volkspartei für Freiheit und Demokratie (Ruttes rechtsliberale Partei), PVV: Partei für die Freiheit (Wilders Rechtspopulisten), CDA: Christdemokratischer Aufruf, D66: Democraten 66 (linksliberal), SP: National orientierte Sozialisten, GL: Grün-Links, CU: Sozial-Christliche Partei. (sda/dpa/afp)

Elsbeth Gugger

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Elsbeth Gugger

Die Journalistin arbeitet seit 1992 als Korrespondentin aus den Niederlanden für SRF und «NZZ am Sonntag». Vorher war sie bei der Schweizerischen Depeschenagentur tätig.

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