Pedro arbeitet als Reiseleiter. Er begleitet Touristinnen und Touristen durch den Regenwald im Norden Kolumbiens, in der Sierra Nevada. Der 29-jährige Venezolaner arbeitet so oft wie möglich für eine Reiseagentur in dieser Region. Denn regelmässig schickt er Geld in sein Heimatland. Seine Eltern und Geschwister hat er vor drei Jahren zurückgelassen.
«Ich hatte in Venezuela einen sehr guten Job, bei dem ich das Dreifache des Mindestlohns verdiente, aber das war nicht genug, um das Nötigste für die Familie zu kaufen.» So sei er gezwungen gewesen, das Land zu verlassen, erklärt Pedro gegenüber SRF News.
Pedro lebte in La Grita, einem Städtchen im Nordwesten Venezuelas. Er studierte Gesundheitswissenschaften und arbeitete danach bei der Staatsanwaltschaft. Kein schlechter Job. Dennoch reichte der Lohn nicht für drei Mahlzeiten am Tag.
20 Kilogramm abgenommen
Als er vor lauter Hunger 20 Kilogramm abgenommen hatte, war für ihn klar, dass er auswandern musste. «Es war eine ziemlich schwierige Zeit. Ich weiss nicht, ob es die schlechte Qualität des Essens war, oder einfach zu wenig. Oder Stress.» Es sei anstrengend, immer überlegen zu müssen, was er seinen kleinen Geschwistern zu essen geben könnte, so der 29-Jährige.
Venezuela steht am Rande des Zusammenbruchs: Hungersnot, Arbeitslosigkeit und jetzt noch die Pandemie. War die Situation schon vor Covid-19 angespannt, so wurde sie mit der Pandemie unerträglich. Viele haben Arbeit und Einkommen verloren.
96 Prozent leben in extremer Armut
Nach den jüngsten Daten von den wichtigsten Universitäten und Beobachtungsstellen in Venezuela leben 96 Prozent der Venezolanerinnen und Venezolaner in extremer Armut und haben weniger als zwei Dollar täglich zur Verfügung. Präsident Nicolas Maduro klammert sich an die Macht, Menschenrechtsorganisationen berichten über aussergerichtliche Hinrichtungen und die Verfolgung von Oppositionellen.
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen schreibt in seinem jüngsten Bericht zu Venezuela, dass all diese Gründe Millionen von Menschen zur Flucht gezwungen und eine der grössten Vertreibungskrisen der Welt ausgelöst hätten.
«Die Einsamkeit schmerzt»
2022 könnte die Zahl der Flüchtlinge auf mehr als sieben Millionen steigen, fürchten Beobachterinnen und Beobachter. Ein Massenexodus aus Venezuela – fernab der Weltöffentlichkeit. Die meisten Flüchtlinge bleiben in Südamerika und ziehen Richtung Süden nach Chile, Peru und vor allem nach Kolumbien. Dort leben heute die meisten Venezolanerinnen und Venezolaner, über 1.7 Millionen Menschen. So auch Pedro Sanchez.
Trotz seiner Arbeit als Reiseleiter im Norden Kolumbiens, bei der er mit vielen Menschen zu tun hat, fühlt er sich oft allein. «Ohne Familie ist es schwierig. Die Einsamkeit schmerzt. Aber so ist es nun mal, ich muss das tun.»
Neuste Daten der venezolanischen Zentralbank von Anfang Januar zeigen eine leichte Erholung der Wirtschaft, das Land produziert wieder mehr Öl. Davon profitiert aber nur eine kleine, reiche Elite. Noch immer verlassen täglich 900 Venezolanerinnen und Venezolaner ihre Heimat.