Der Verdacht der massiven Menschenrechtsverletzungen durch den WWF wiegt schwer: Vom WWF angeheuerte Wildhüter in Afrika und Asien sollen Wilderer und Zivilisten gefoltert, sexuell missbraucht und sogar ermordet haben.
Aufgedeckt hat diese Praktiken das Onlinemagazin Buzzfeed. Einer, der bei der Geschichte mitrecherchiert hat, ist Markus Engert. Er spricht vom immensen Druck, dem die Wildhüter ausgesetzt sind – und die dann selber zu Tätern werden.
SRF News: Wie wurde Buzzfeed auf die Machenschaften des WWF aufmerksam?
Markus Engert: Mein Kollege Tom Warren in London hatte das Thema schon seit ca. 2014 auf dem Radar. Er hat immer wieder kleine Hinweise erhalten, dass da etwas nicht stimmt. Im vergangenen Jahr schaute er sich das Ganze etwas genauer an. Dass am Ende eine derart umfassende und tiefe Recherche vorliegen würde, war damals noch nicht klar.
Was haben Sie konkret herausgefunden?
In Nepal, Kamerun, Kongo und Indien stiessen wir nicht nur auf Gerüchte, sondern wir fanden heraus, dass dort tatsächlich schwere und schwerste Menschenrechtsverbrechen durch WWF-Mitarbeiter oder durch vom WWF Beauftragte verübt wurden. Es geht dabei um Folterungen oder nächtliche Angriffe auf Dörfer. Dabei wurden Waffen wie Macheten und Stöcke verwendet, mit denen die Bewohner geschlagen wurden, teilweise bis sie bewusstlos oder sogar tot waren.
WWF-Angehörige unterhalten geheimdienstähnliche Netzwerke. Zudem rüsten und bilden sie Milizen aus und arbeiten mit ihnen zusammen.
Wir recherchierten Tötungen und Gruppenvergewaltigungen. Wir fanden heraus, dass WWF-Angehörige geheimdienstähnliche Netzwerke und Milizen unterhalten, dass sie Milizen ausrüsten, ausbilden und mit ihnen zusammenarbeiten. Unsere Recherchen zeigten auch, dass örtliche WWF-Mitarbeitende die Anschuldigungen in vielen Fällen protokolliert und weitergemeldet haben. Es gab also eine Art internes Berichtswesen. Zumindest in den letzten Jahren hat das jedoch nicht dazu geführt, dass die Missstände aufgehört haben.
Wie erklären Sie sich diese massive Gewaltanwendung?
Die vom WWF angestellten Wildhüter stehen unter immensem Druck und machen einen sehr gefährlichen Job. In den letzten Jahren sind weltweit Dutzende Parkranger von Wilderern getötet worden. Entsprechend gewaltbereit sind auch die Wildhüter selber. Kommt hinzu, dass sie täglich erleben, dass sie mit ihrer Arbeit scheitern und Wilderer nicht davon abhalten können, bedrohte oder geschützte Tiere zu töten.
In den letzten Jahren wurden Dutzende Parkranger von Wilderern getötet. Entsprechend gewaltbereit sind auch die Wildhüter.
Allerdings kann der Preis dieses hohen Drucks auf die Ranger nicht sein, dass sie Menschenrechtsverbrechen begehen, die geduldet, totgeschwiegen oder ignoriert werden. Da muss sich etwas ändern.
Waren in den von ihnen genannten Fällen lokale WWF-Mitarbeiter direkt beteiligt?
Es gibt insofern beteiligte WWF-Mitarbeiter, als dass sie von den Menschenrechtsverbrechen wissen und versucht haben, laufende Untersuchungen zur Einstellung zu bringen. Die tätlichen Übergriffe selber werden in der Regel von vom WWF angeheuerten, bezahlten, trainierten und ausgerüsteten Einheiten verübt. Man kann also nicht davon ausgehen, dass WWF-Vertreter davon nichts gewusst haben oder nicht darin involviert waren.
Länder wie Kongo sind Konfliktgebiete, es herrscht Bürgerkrieg zwischen verschiedenen Milizen. Ist es da für NGOs nicht fast unmöglich, vertrauenswürdige Mitarbeiter vor Ort zu finden?
Das ist mit absoluter Sicherheit überaus schwierig. Deshalb gibt es klare Regeln, Berichtsstrukturen und Überprüfungsmechanismen. In der Tat hat der WWF in der Vergangenheit diverse interne Untersuchungen zu den Vorwürfen angestrengt. Die Missstände waren dem WWF-Hauptquartier in Zürich also bekannt – doch man hat es offensichtlich nicht geschafft, die Missstände abzustellen. Insofern liegt ein Teil der Verantwortlichkeit für die Menschenrechtsverletzungen eben auch beim WWF.
Haben die von Ihnen geäusserten Anschuldigungen beim WWF System?
Innerhalb des WWF gibt es offensichtlich ein System der fehlenden Umsetzung von geäusserten Missständen. Die Meldung nach oben funktioniert also nicht – wie von dort auch keine Massnahmen eingeleitet werden, um die Missstände vor Ort in den Griff zu bekommen. Manchmal versuchten die örtlichen WWF-Mitarbeiter auch, die Probleme selber zu managen.
Örtliche WWF-Mitarbeiter wirkten darauf hin, dass Klagen gegen Ranger fallen gelassen wurden.
So gab es Fälle, in denen sich WWF-Mitarbeiter vor Ort eingeschaltet haben, etwa wenn übergriffige Wildhüter inhaftiert wurden. Sie verfolgten aber nicht das Ziel, die Missstände zu beenden, sondern wirkten beispielsweise auf die Familie eines Opfers ein, die Klage fallen zu lassen. In einem konkreten Fall arbeitete der WWF weiter mit Rangern zusammen, nachdem eine Klage gegen sie fallen gelassen worden war. Diese Ranger haben danach sogar Auszeichnungen erhalten.
Wie hat der WWF reagiert, als ihn Buzzfeed mit den Vorwürfen konfrontierte?
In Grossbritannien und Deutschland hat sich der WWF sehr erschüttert und bestürzt gezeigt. Die deutsche Sektion des WWF beauftragte ein externes Institut mit der Untersuchung der Vorwürfe. Auch in Grossbritannien soll eine Aufklärung erfolgen, ausserdem befasst sich bereits das Parlament mit dem Thema. Bloss aus der WWF-Zentrale in Zürich ist bis jetzt keine Reaktion erfolgt.
Das Gespräch führte Janis Fahrländer.